Das ist die Fortsetzung von http://www.huehner-info.de/forum/sho...vom-Findelhuhn
Sorry, dass es so lange gedauert hat, manchmal läuft eben nichts nach Plan - und dann war das HüFo übers Wochenende vom Netz!
Es stellte sich als gar nicht so einfach heraus, so früh im Jahr ein einzelnes, ausgewachsenes Huhn zu bekommen. Wenn überhaupt ein Federvieh auf der Craigslist zu finden war, dann meist ein Hahn – und die waren zu verschenken, spricht das für oder gegen die Viecher? Oder gleich eine Handvoll Hühner, nur im Pulk abzugeben, oft auch mit Hahn, von Leuten, die die Hühnerhaltung aufgaben. Anzeigen zum Vorbestellen von Küken fürs Frühjahr fanden wir auch, aber mit Küken konnten wir nichts anfangen, wir haben keine Ausrüstung dafür und dann müsste Hühnchen noch viel zu lange auf ihren BFF (Best Feathered Friend) warten. Und dann, eines schönen Samstagmorgens, ich war gerade selber aus den Federn gekrochen, sagte ich meinem Hühnchen Guten Morgen und es begrüsste mich nur so beiläufig und war irgendwie anders. Stand rum, anstatt zu scharren und zu picken und zu schauen, ob ich Leckerlis dabei hatte, machte ab und zu die Äuglein zu und war einfach nicht sie selbst. Ich machte die hintere Klappe am Hühnerhaus auf, um mein Frühstücksei herauszuholen, und – Oh Schreck! - in einem der nächtlichen Hühnerhäufchen war ein langer weisser ekliger Wurm! Oh nein, diesmal ist Hühnchen wirklich krank! Sofort ergriff wieder die unerfahrene-Streichelhuhnhalter-Panik von mir Besitz. Das Frühstücksei und die dazugehörige Latte Macchiato fielen an diesem Tag aus. Ich googelte, telefonierte rum und fand tatsächlich noch einen Tierarzt, der Hühner kann und Samstag vormittags offen hat. Zum Glück war ich nicht so spät aufgestanden, ich bin normalerweise durchaus in der Lage, den halben Vormittag zu verpennen. Meistens habe ich mir den Wecker auf kurz vor Dämmerung gestellt, habe Hühnchen die Türe aufgemacht und mich dann wieder schlafen gelegt. Wir haben sie nur ein, zweimal später rausgelassen und da hat sie einen Mordsradau veranstaltet und laustark protestiert... 'Heee, was soll das, lasst mich auf der Stelle raus hier, ich bin ein Freilandhuhn, was glaubt Ihr eigentlich, wieso ich schon mal irgendwo ausgebüxt bin...?!?'
Der Liebste hatte an diesem Samstag morgen die Hühnertür aufgemacht und war dann mit meinem Auto zum Arbeiten gefahren, seine alten Rübenmü... äh, Liebhaberfahrzeuge waren an den meisten Tagen entweder zu schade zum Fahren, ausser Betrieb oder nicht wasserdicht. Ich rief ihn also an und er versprach, sofort heimzukommen. Bis dahin hatte ich schon Kotproben sichergestellt und Hühnchen in einen mit Stroh ausgepolsterten Karton gepackt und war fertig zur Abreise. Mit Hühnchen im Karton auf meinem Schoss chauffierte der Liebste uns zum Tierarzt. Ich warnte Hühnchen vor jeder Bodenwelle, jedem Schlagloch und jeder Kurve vor, sie war beschäftigt, das unachtsam in den Karton geworfene Stroh hühnchengefällig zu arrangieren und streckte nur bei groben Erschütterungen den Kopf heraus und gluckste verwundert. Beim Tierarzt war das Wartezimmer ziemlich voll, und ich war froh, dass ich noch ein Schälchen Futter und Wasser mitgenommen hatte. Hühnchen ging erstmal auf Tauchstation in ihrem Karton und haute sich zu meiner Erleichterung ordentlich den Kropf voll – na, solange sie noch frisst, ist es hoffentlich nicht so schlimm! Als sie fertig war mit ihrem Frühstück, machte sie einen langen Hals, streckte den Kopf aus dem Karton wie ein U-Boot-Sehrohr, guckte rundum und nahm all die Katzen, Hunde, Meerschweinchen und sonstigen anwesenden Kreaturen wahr und stimmte das lustigste Geräusch in dem ihr eigenen Gacker-Glucks-Gurr-Sing-Tonfall an, das ich je von ihr hörte. 'Hoppla, was ist denn hier los, was machen denn die alle hier?' Sie war im allgemeinen ziemlich furcht- und respektlos, das einzige, was ihr immer Angst einjagte, waren die Krähen und die Truthahngeier, die über unserem Garten kreisten. Alles, was schwarz und gross ist und fliegt. Zum Glück haben Geier kein Interesse an lebenden Hühnern, aber Hühnchen wusste das nicht. Und zum noch viel grösseren Glück kam nie ein 'echter' Raubvogel vorbei!
Schliesslich waren wir dran, ein Tierarztassistent hatte auch Mitleid mit mir und brachte mir einen Kaffee (sah ich wirklich so schlimm aus?), erst wurden die Kotproben im Labor untersucht, dann Hühnchen auf die Waage gestellt und von oben bis unten und vorne bis hinten von der Tierärztin betastet und untersucht. Hühnchen nahm das alles recht gelassen. Sie war mit knapp über zwei Kilo also untergewichtig und hatte zwei verschiedene Sorten Würmer, die auch noch mitessen wollten, war aber ansonsten ganz gut beieinander. Gegen die Würmer bekam Hühnchen Panacur, fünf Tage lang einen halben Milliliter per Spritze in den Schnabel, verschrieben und die erste Dosis gab's sofort. Das nahm sie nun wirklich nicht mehr gelassen – sie wehrte sich nach Kräften. Danach stand sie mit langem Hals und weit geöffnetem Schnabel in ihrem Karton. Na, das Zeug muss ja extrem eklig sein, dachte ich mir. Später kam ich dann drauf, dass sie wahrscheinlich das Panacur in den falschen Hals (die Luftröhre) bekommen hatte und nach Luft schnappte. Armes, armes Hühnchen...! Nach dem Bezahlen der Rechnung stand ich dann genauso da wie Hühnchen und schnappte nach Luft – das war der Gegenwert von ungefähr zehn ausgewachsenen Hühnern oder 240 allerfeinsten Bio-Eiern! Trotzdem, Hühnchen war für mich kein Nutztier, sondern eine gefiederte Freundin, und ich würde es nicht anders haben wollen. Meine Arbeitskollegen wollen mich immer foppen und sagen, es sei ja nur ein Huhn, Kopf ab und auf den Grill damit, Hühner kosten ja nicht viel, kauf Dir ein neues. Ich kontere dann, dafür nehme ich junge Katzen, die gibt es ganz umsonst...!
Erleichtert nahmen wir Hühnchen wieder mit nach Hause und gaben ihr erst mal reichlich zu trinken. Dazu liessen wir einen dünnen Strahl Wasser von weit oben in ihren Trinkbehälter rinnen, so dass es laut plätscherte, und sie “fing“ den Wasserstrahl mit ihrem Schnabel. Das machte ihr ziemlich Spass. Wir dachten ja, es sei der eklige Geschmack von dem Panacur, weswegen sie den Hals so lang machte und den Schnabel offen hielt, und wollten, dass sie den Geschmack runterspült. Sie kriegte schon wieder Luft und alles kam ins Lot. Mein Job war nun, den Auslauf und das Hühnerhaus immer so sauber wie möglich zu halten, damit Hühnchen sich nicht selber wieder mit den Würmern ansteckt. Wir hatten einmal ein Schild gesehen, das sich eigentlich an Hundebesitzer richtete, mit einer Fee mit einem Zauberstab in der Hand darauf, einem Hund und seinem Häufchen, angelehnt an den amerikanischen Mythos von der „Tooth Fairy“, der Zahnfee, die die ausgefallenen Milchzähne der Kinder abholt und dafür eine Münze oder ein kleines Geschenk dalässt: „There is no Poop Fairy. Scoop your Poop!“ Der Liebste verpasste mir noch an diesem Tag den Spitznamen „Poop Fairy“. In Hühnchens Augen muss ich wohl auch genau das gewesen sein, ich brachte ihr ja immer kleine Leckereien mit. Wie ich hoere, bedient die Zahnfee mittlerweile auch Deutschland, aber als ich noch klein war, hatte sie ihren Geschäftsbereich noch nicht so weit ausgedehnt und deutsche Kinder verloren halt die Milchzähne, liessen sich neue wachsen und fertig.
Meistens klappte das Verabreichen der Medizin an Hühnchen ganz passabel, aber einmal wand sie sich aus meinem nicht ganz so eiserenen Griff (habe ich schon mal erwähnt, dass ich ein weiches Herz habe...?), genau in dem Moment, als ich das Panacur aus der Spritze drückte, und anstatt in ihren Schnabel, ging die Portion über das ganze Huhn. Sie sah aus wie ein Clown, mit all dem weissen Zeug im Gesicht! Ach Du meine Güte, hoffentlich hab ich nichts in ihre Augen gebracht, war mein erster Gedanke! Ich versuchte, mit einem nassen Waschlappen Hühnchens Gesicht und Kamm zu reinigen, sie hielt das aber für eine vollkommene Schnapsidee. Und es stand schon wieder ein Trip zum Tierarzt an, nochmal 0,5 ml Panacur holen und die tägliche Dosis IN den Schnabel verabreichen statt rundherum...
Am Samstag darauf gab ich noch einmal eine Kotprobe beim Tierarzt ab, und, hurra, kein Befund, Hühnchen ist gesund! Wir koennen also endlich eine Freundin für Hühnchen holen, bevor sie vor Einsamkeit (ja, ich bemühe mich nach Kräften, aber ich bin halt kein Huhn und ausserdem den ganzen Tag beim Arbeiten!) in eine Depression verfällt und zum nahegelegenen Kentucky Fried Chicken abhaut und sich direkt in die Friteuse stürzt. Gut, soo schlimm sah es noch nicht aus, diese Geschichte schusterten mal wieder meine lieben Arbeitskollegen zusammen, als ich ihnen erzählte, mein Hühnchen wäre so allein.
An diesem Samstag fanden wir sogar eine Anzeige für „pullets“, junge Hühner, auf der Craigslist. Wir riefen an, erklärten, dass wir ein einziges Huhn kaufen wollten und der Besitzer Mike willigte ein. Nicht für ein junges Huhn, sondern ein ausgewachsenes, er meinte, die jungen bräuchten noch eine Weile eine Wärmelampe. Ok, dann halt ein einjähriges Huhn, Hauptsache Huhn! Es war ja nur eine schlappe Stunde Fahrt bis dorthin... Was tut man nicht alles.
Wir machten uns also auf den Weg zu Mike. Zum Glück hatten wir ein Navi, wir hätten den Hof sonst niemals gefunden. Es ging über gewundene ungeteerte Strassen weit ins Niemandsland. Schliesslich kamen wir dort an und sahen Mike winken, er hatte uns schon erwartet. Wir waren völlig begeistert davon, was wir sahen, er hatte alles Mögliche an Viehzeugs, Esel, Kühe, Ziegen, Pferde und natürlich jede Menge Federvieh. Ich erinnere mich an diverse Perlhühnervarianten, die mir alle sehr gefallen, viele verschiedene Hühner und Hähne, von denen uns einer ganz besonders beeindruckte – ich hatte noch nie einen kleineren Hahn gesehen, und ich glaube auch, keinen hübscheren! Und wir Idioten hatten keine Kamera dabei...! Er hatte wunderschön leuchtendes Gefieder in creme-, kupfer- und goldfarben, garniert mit schwarzweiss und dunkelgrün, lange, geschwungene Schwanzfedern, und manche Federn waren sogar noch in sich gemustert. Ich komplimentierte Mike für sein Federvieh, und er sagte, ja, das sei sein Schönster, und ausserdem der Boss, er habe kürzlich auch den grossen 'Game Rooster' das Fürchten gelehrt. Den bekamen wir leider nicht zu Gesicht, der war irgendwo in den Weiten des Geländes verschwunden. Eine Menge Hühner liefen frei herum, nur die jungen Hühnchen und die, die er tags darauf auf dem Markt zu verkaufen gedachte, waren in ein paar Volieren eingesperrt. Wir sollten uns also ein Huhn aussuchen – keine leichte Aufgabe, bei so vielen Hübschen! Es war ja alles da, von der reinrassigen Millefleur (was für ein tolles Gefieder!) über Legehennen in allen Formen und Farben und Easter Egger, die hellblaue und zartgrüne Eier legten, zu verschiedenen 'Barnyard Mixes'. Am Ende wurde es ein solches, ein nicht ganz reinrassiges kleines Buff Brahma Bantam, ganz einfach, weil wir sie süß fanden. Oh, hätten wir gewusst... Mike griff uns unser Wunschhuhn, wir packten sie in den mitgebrachten Karton und kriegten noch den Rat mit auf den Weg, sie erst ins Freie zu lassen, wenn sie sich an uns gewöhnt hatte. Bei der ersten Bodenwelle auf der Heimfahrt rappelte es schon ganz gewaltig im Karton – nix mit Gurrgackerglucks! Hier wird getobt und geflattert! Wir hatten uns einen veritablen Wildvogel ausgesucht. Trotzdem verpasste ihr der Liebste gleich mal den Namen 'Goldi', sie war ja auch goldig. Zuhause sperrten wir sie erst einmal, Mikes Rat beherzigend, in die Waschküche – Hühnchen hatte ja kein Interesse, das Fliegen zu versuchen, sie hatte ja schon, als wir sie fanden, so extrem kurz geschnittene Schwungfedern, dass mehr als Flatterhüpfen sowieso nicht drin war, und der Zaun war mehr so symbolischer Art. Nicht das geringste Hindernis für ein schreckhaftes Zwerghühnchen mit Flügeln! Am nächsten Tag, Sonntag, hiess es für den Liebsten wieder arbeiten gehen und ich stand auch um sieben auf, war die allererste Kundin im Baumarkt, kaufte 'Two-by-Fours' – Bauholz - einen Tacker und einen grossen Eimer – in Orange, weil Blau ist doch Hühnchens Lieblingsfarbe - als Nestbox für Goldi. Dann ran an die Arbeit – kurz vor Mittag stand Goldis Übergangskäfig. Sie tat mir schon schrecklich leid, sie traute sich in der Waschküche nicht aus ihrem Karton raus. Sie hatte zwar oben auf dem Griff eines mit Zeitungspapier ausgelegten Korbes auf den gestapelten Autoreifen des Liebsten geschlafen, sich dann morgens, als ich nach ihr sah, wieder in den Karton geflüchtet und hatte weder Futter noch Wasser angerührt. Es war höchste Zeit, sie rauszulassen. Der Liebste kam gerade heim und zu zweit verfrachteten wir sie in ihr Übergangsheim. Hühnchen war komplett von den Socken – hey, ich bin ja gar nicht das einzige Huhn in dieser grossen weiten Welt!
erste_Begegnung.JPG
Hätten wir ihre Futter- und Wassernäpfe nicht genau gegenüber Goldis, nur auf die andere Seite des Hasendrahts gestellt, wären uns alle beide irgendwann verhungert. Einander den Rücken zudrehen und ein paar Meter weggehen? Ausgeschlossen! Mein Alter Ego die Poop Fairy klaubte ja nach wie vor Hühnchens Häufchen tagtäglich auf, das beschränkte sich nun grösstenteils auf eine Runde um Goldis Käfig. Goldis Eingewöhnungszeit im Käfig ging nicht so lange wie geplant, nach vier Tagen war es aller-allerhöchste Zeit, auch da drin mal sauberzumachen und da ist der kleine Wildfang mir natürlich entwischt. Nach genau vier Schnabelhieben von Hühnchen war die Hackordnung auch geklärt, und von dem Moment an waren die beiden absolut unzertrennlich.
gemeinsam picken.JPG
Siesta.JPG
Dass Goldi über den Zaun fliegen würde, brauchten wir nicht zu befürchten, solange Hühnchen da war. Uns gegenüber war Goldi leider furchtbar scheu und misstrauisch, was zu einigen lustigen Szenen führte. Ich laufe zum Hühnerzaun, um Leckerli zu bringen. Goldi bemerkt mich vor Hühnchen und rennt weg, Hühnchen völlig unreflektiert hinterher. Dann schaut Hühnchen sich um, wovor sie denn jetzt weggerannt ist, sieht mich mit dem Leckerli in der Hand und kommt postwendend wieder angespurtet. Bewegung kriegte sie jetzt sicher mehr als genug... Am ersten gemeinsamen Abend mit Goldi fand ein interessantes Schauspiel statt: Goldi hat gleich kapiert, wofür so ein Hühnerhaus da ist und ist lange vor Hühnchen darin verschwunden. Eine Weile später verschwand Hühnchen auch im Haus. Ich stand auf meinem Beobachtungsposten und war erleichtert – scheint ja zu klappen. Von wegen – ich wollte gerade zum Hühnerhaus gehen und die Tür hinter den zweien zumachen, da kam – wer wohl? - Hühnchen! wieder heraus! Sie sah kreuzunglücklich und verzweifelt aus und gackerte mitleiderregend. Ein Blick ins Hühnerhaus lieferte die Erklärung: Goldi hatte es sich mitten in Hühnchen Lieblingsschlafecke gemütlich gemacht, und obwohl sich Hühnchen tagsüber den Chefposten erobert hatte, was die Schlafecke anging, hatte sie nichts zu sagen. Nach einigem Hin und Her nahm sie wohl oder übel mit der anderen Ecke Vorlieb. Die Schlafstange ignorierten alle beide nach Kräften. Am nächsten Morgen, als ich die Hühnertür öffnete, kamen beide gleich raus und Hühnchen war stinkesauer auf Goldi – die musste als allererstes morgens gleich mal eine Tracht Prügel einstecken. Dir werd' ich's zeigen, einfach in mein Bett zu liegen! Aber es half nichts, zwei Nächte lang schlief Goldi nicht ganz in der Ecke, und Hühnchen halb auf Goldi drauf ganz in die Ecke gequetscht, dann ging die Ecke doch dauerhaft an Goldi. Hühnchen hatte seither ständig Einschlafprobleme, stand mitten im Hühnerhaus und weinte sich in den Schlaf... Das ist jetzt nur halb witzig gemeint, sie machte wirklich jeden Abend ganz seltsame, traurige Geräusche, und brauchte immer ewig, um es sich irgendwo gemütlich zu machen – wenn überhaupt. Das ganze gut Zureden und die Gutenachtgeschichte und das Schlaflied halfen da nichts.
jeden Abend das Gleiche.jpeg
Tagsüber war Hühnchen definitiv der Boss und sie waren dicke Freundinnen, wieso das nachts nicht klappte, wird mir wohl niemals klar. Mein weiches Herz musste mal wieder leiden... wir Tierquäler! Erst lassen wir Hühnchen nicht mehr in ihrer heiß geliebten Tonne schlafen, dann nimmt ihr ein anderes Huhn den Schlafplatz weg, an den sie sich doch erst vor kurzer Zeit zwangsweise gewöhnt hatte. Wir dachten damals, ein Huhn in einer Tonne schlafen zu lassen sei nicht sehr artgerecht. Aber Hühnchen war wohl sowieso ein bisschen aus der Art geschlagen. Sie hatte offensichtlich grossen Spass an all dem überhaupt nicht artgerechten Unsinn, den wir mit ihr anstellten. Als sie noch unser einziges Huhn war, mischte sie sich ja von sich aus in alles ein, was wir machten, und wir dachten, sie mache das aus Einsamkeit und Langeweile. Aber auch als Goldi schon da war, interessierte sie sich brennend für alles, was wir im Garten machten, zum Beispiel, als ich das Pampasgras, das im Hühnerabteil des Gartens wuchs, zurückschnitt. Da siegte mal wieder die Neugierde und der Spieltrieb, sie liess die scheue Goldi in der anderen Hälfte des Hühnerabteils zurück und assistierte mir bei der Gartenpflege. Ich zupfte oben die losen trockenen Halme raus, sie unten. Beim anschliessenden Zusammenrechen des Ganzen war sie mit meiner Arbeitsweise nicht einverstanden – was ich zusammenrechte, scharrte sie wieder auseinander. Und wir hatten beide sooo viel Spass daran! Auch als ich das Hühnerhaus nochmal halb zerlegte, um oben unter dem Dach noch eine zusätzliche Belüftungsöffnung anzubringen, war sie mit dabei. Ich musste sie ein paarmal aus dem Hühnerhaus rausschmeissen, damit nichts auf sie drauffällt, und das, wo sie sonst tagsüber nie ins Hühnerhaus ging – ausser um mal schnell ein Ei zu legen. Das machte sie mittlerweile rekordverdächtig gut, ihre Eier waren jeden Tag so um die 72 bis 77 Gramm! Goldi legte jeden zweiten Tag noch ein kleines, hübsches, cremefarbenes Ei von 42 bis 44 Gramm dazu.
frische Eier.JPG
Auch beim grössten Sauwetter waren Goldi und Hühnchen immer draussen, und nur sehr selten verkrochen sie sich in einer der Unterstandsmöglichkeiten. Die Würmer, die bei Regen an die Oberfläche kamen, waren einfach zu lecker! An einem besonders ekelhaften, stürmischen, eisig kalten Tag, als es fast dauernd geregnet und manchmal halb geschneit hatte, waren die beiden so pitschnass, dass ich Hühnchen vor der Schlafenszeit kurz hereinholte und ihr mit meinem Haarfön auf kleiner Stufe das Gefieder ein bisschen trocknete. Goldi liess uns immer noch nicht in ihre Nähe, deshalb musste sie nass ins Bett. Hühnchen sah den Sinn des Ganzen nicht und marschierte ständig dem Fön davon, und ausserdem hatte sie mal wieder einen extra stinkigen Schiss für die Sonderaktion reserviert – der Liebste war 'not amused', ja, ich hätte wirklich in die Waschküche gehen sollen - aber als ich sie ins Hühnerhaus trug, war sie nicht mehr ganz so triefnass wie vorher.
Hühnchen föhnen.JPG
An einem schönen warmen Frühlingstag spannte ich meine Slackline im Garten auf, und da Hühnchen ja schon bewiesen hatte, dass sie ein Zirkushuhn ist, setzte ich sie auch mal drauf und lockte sie mit einem Leckerli. Das klappte nur ein kurzes Stück, da ich sie vor Goldis Augen aus dem Hühnerabteil rausgehoben hatte und Goldi die ganze Zeit Zeter und Mordio gackerte: 'Hiiiiilfeeee, jemand hat meine Freundin entfüüüüührt, Gefaaaaaahr, Gefaaaaaahr, meine Freundin ist weeeeeg, ich will meine Freundin zurüüüüück!' und Hühnchen doch sichtlich irritiert und abgelenkt war. Wie in der letzten Zirkushuhnvorstellung liess sie vor dem Balancieren wieder einen irre stinkigen Schiss fallen und verfehlte damit nur ganz knapp meine Slackline. Hatte mein Zirkushuhn etwa Lampenfieber...?
Slacklinehuhn.JPGLampenfieber.JPGverdientes Leckerli.JPG
Lesezeichen