Eine Lanze für die Formalisten
Ich möchte an dieser Stelle heute mal eine Lanze für die Formalisten brechen. Wenn es sie nicht gäbe, wären - wie bei den lokalen Schweinerassen - längst alle Kulturrassen verschwunden. Allerdings züchten und halten die Formalisten die Hühnerrassen v. a. aus sportlichen Gesichtspunkten und haben hiefür vor Jahrzehnten die Standards geschaffen. Daher finde ich es toll, dass es Genpools nicht nur bei den 4 Konzernen gibt, die 90 % der Weltgeflügelproduktion mit Lege- und Masthybriden versorgen, sondern auch noch Private mit der Intention, die wirtschaftlichen Aspekte im Rahmen des Möglichen nicht ganz ins Hintertreffen geraten zu lassen. Jahrtausendealte Formalismusrassen gibt es ja schon aus Asien, wenn ich an die Kräh- und Langschwanzrassen oder Chabos etc. denke.
Frage bleibt: Wer sagt denn was richtig ist? Thomas[/quote]
Hier beziehe ich mich auf Insiderwissen, dass demnach auf holländischen Bundesschauen Barnevelder nicht selten mit Doppelzacken ausgestellt werden. Dass in Holland auch wirtschaftliche Aspekte im Vordergrund stehen sollen, ist mir eigentlich neu, jedenfalls habe ich davon noch nie gehört. Daher bin ich dzt. hier mehr auf Seite der Deutschen, weil auch mir ein Tier mit "Rassemerkmalen" besser gefällt. Freilich wird es für mich sofort uninteressant, wenn das Huhn in den Sommermonaten wenig oder nichts legt, sondern nur etliche Wochen im Frühjahr oder aber wenn sein Eigewicht unter 50 g ist etc. Wenn aber Formalisten Hühner mit Kammfehlern ausstellen ist das für mich ein Lapsus schlechthin.
Wenn ich vom Niveau spreche, dann mein ich natürlich den Level der Formalisten im Hinblick auf den Ausstellungskäfig. Ich setze einfach als bekannt voraus, dass bei den meisten (wenn nicht allen) Standardzüchtern Eigewicht oder gar -farbe kaum eine Rolle spielen.
Traurig ist für mich, dass fast alle deutschen Spitzenzüchter bei den großen Doppeltgesäumten schon in die Jahre gekommen sind. Einige wenige achten neben dem Standard auch auf wirtschaftliche Aspekte und sind v. a. sehr kooperativ, wenn sie einen Sinn für den Fortbestand sehen. Viele sind aus Platzgründen auch auf doppelt-gesäumte Zwerge umgestiegen. Ich habe aus Platz- und Termingründen auch aufhören müssen, weil ich mit meinen Altsteirern ohnehin genug zu tun habe.
Zu Ute:
Von den Farbfaktoren wie Mahagony, Weizenfarbig etc. habe ich bisher noch nie etwas gehört. Meines Wissens nach haben holländische Züchter - wahrscheinlich waren das schon Formalisten - von indischen Kämpfern die Doppelsäumung eingekreuzt, die heute das Standardmerkmal schlechthin ist. Einige deutsche Formalisten mussten natürlich auch in die Barnevelder - wo es ohnehin für alle Rassen und Farbschläge viel zu wenig gute Züchter gibt - den braunen oder schwarzen Farbschlag neu erzüchten, insbesondere die Schwarzen wurden ohne Barnevelder erzüchtet, mit Hampshire, schwarzen Italienern und noch einer anderen Rasse. Aber die Schwarzen entsprechen nun dem Standard und sind nicht mehr zu schwarz geratene Doppelt-gesäumte wo dann wegen der Beinfarbe von 100 Jungtieren nur mehr 5 ausstellungsfähig sind ....
Allein beim Verpaaren von weißen und wildbraunen Altsteirern sieht man, was da alles eingekreuzt wurde. Man erhält schon in F1 "alle Farben, die man so kennt", geschweige, wenn man mit F1 intern weiterzüchten würde. Das ist bestimmt auch bei allen möglichen anderen Rassen und Farben so gehandhabt worden.
Weiterhin alles Gute und Barnevelder sind ja eigentlich auch eine "Inselrasse". Vor rund 100 Jahren haben die Holländer bekanntlich zu guten Preisen die dunklen Eier nach England exportiert. Warum sollten die Barnevelder daher nicht inzwischen schon eine Engländer- oder Inselrasse geworden sein und so weit ist Irland auch nicht von England entfernt, wenn wir mal die .... Religion außen vor lassen können :-).
Ich bin leider nicht so firm in Englisch, zumindest ohne dictionary. Vielleicht kann ich mir mal dieses Web besser ansehen, doch bei meiner Zeitnot bin ich da alles andere als optimistisch.
Ich kommuniziere lieber mit Dir in Deutsch und vielleicht gibst du den Übersetzer ab :-).
Viele Grüße aus Wien von einem gestressten
Altsteirer.at
RE: Bei den Farbfaktoren gibt es Züchter mit praktischer Erfahrung
Hallo Ute !
Unglaublich, was Du Dir inzwischen für ein ungeheures Wissen um die Farbgenetik angeeignet hast. Ich finde es toll wenn es Leute gibt, die sich mit der Sache so diffizil auseinandersetzen. Daher wäre es wichtig, wenn Du mit erfahrenen Leuten wie Naumann Kontakt aufnimmst, der die Dunkelbraunen und die Schwarzen vor einigen Jahren neu erzüchtet hat.
Ute schrieb: "Die Präsenz von 'mahogany' dürfte das Braun etwas mehr rötlich oder kastanienbraun erscheinen lassen."
Daher glaube ich, dass die Dunkelbraunen über Einkreuzungsversuche mit Hamshire, die sicher stattgefunden haben (Rupprecht, Naumann), quasi so nebenbei entstanden sind.
Ute schrieb: "Und die komplizierte Vererbung der Beinfarbe habe ich dabei noch gar nicht berücksichtigt..."
Das war der Grund, warum Nauman die Schwarzen neu erzüchtet hat.
Ute schrieb: "Daher meine Frage, inwieweit weizenfarbig, 'mahogany' und Columbia wieder vollständig herausgezüchtet wurden."
Ich kann mir nicht vorstellen, dass man bei diesem Hin- und Herkreuzen rezessive oder gar multifaktorielle Erbmerkmale herausselektieren kann. Das ist schlichtweg undenkbar. Es ist eigentlich bedauerlich, dass es bisher noch nie gelungen ist, eine Organisation so zu strukturieren, dass im Herdbuchprinzip Reinzucht betrieben werden kann. Die Konkurrenzangst der meisten Spitzenzüchter ist da zu groß, aber auch das Wissen der meisten Züchter. Auch den Verantwortlichen in den diversen Verbänden ist das nicht wichtig oder eigentlich nicht bewusst. Doch das wär der Weg schlechthin, um alten Kulturrassen an Hühnern einen Stellenwert zu geben, der über den Ausstellungssport hinausgeht.
Ute schrieb: "In dem Forum, auf das ich mit dem Link verwiesen hatte, habe ich Photos eingestellt von 2 Hähnen und 2 Hennen, die sich in der Färbung bzw. Musterung deutlich unterscheiden, in der Hoffnung, Hinweise darauf zu erhalten, inwieweit diese Abweichunge genetisch begründet sein können (z.B. aufgrund von früheren Einkreuzungen anderer Rassen). Wenn Du mal Zeit haben solltest, wär's Klasse, wenn Du ggf die Photos kommentieren könntest."
Hier kann ich abermals nur an Naumann und allenfalls Rupprecht vom SV verweisen. Hinsichtlich Kontakt kann ich Dir weiterhelfen.
Ute schrieb: "Hans Schippers, die Barnevelder Autorität Hollands, bestreitet das vehement. Er schreibt, dass die Doppelsäumung spontan aufgetreten ist und das ist mittels der Rassen, die zur Entstehung der Barnevelder verwendet wurden, auch gut möglich."
Die Meinung von Herrn Schippers halte ich für sehr naiv und das widerspricht den tatsächlichen Gepflogenheiten, denn Einkreuzungen und "Frischblut" hat es bei allen Haustierrassen gegeben, seit es diese überhaupt gibt. Hier von einer Spontanmutation zu sprechen halte ich für lächerlich, außer, dass vielleicht mal rezessive Merkmale phänotypisch aufgetreten sein können. Auch das wär eine Bestätigung meiner Meinung.
Ute schrieb: "Du beschreibst, das bei den Altsteirern Deiner Erfahrung nach so einiges eingekreuzt wurde. Bei den Barneveldern könnte die Situation je nach Land ja ähnlich sein."
So ist es auch...
Ute: "Schade, dass Du mit den Barnies aufhören musstest. Was ist mit Deinen Vögeln geschehen?"
Aufgrund meiner enormen Überlastung als Züchter, habe ich die Tiere bei Bekannten geparkt und anhand des geringen Engagements ist die Qualität immer schlechter geworden. V. a. wollte ich sie in erster Linie ursprünglich auf Bruttrieb selektieren, quasi als Ammen für die Altsteirerhalter und quasi nebenbei noch eine weitere Kulturrasse möglichst professionell erhalten. Die Sache ist dann immer mehr in die Tiefe gegangen, insbesondere weil mal in der Nachzucht TROTZ REINZUCHT über 50 % SCHECKEN angefallen sind. Das war sicher auch ein Hinweis auf Einkreuzung, obwohl ich immer maximal entfernt verpaare. Diese Eltern kamen ganz sicher aus unterschiedlichen Genpoolen. Aber das bestätigt nur meine Meinung, was die genetische Drift anlangt.
Ich hatte einfach nicht die Voraussetzungen, um auch mit dieser Rasse zielorientiert zu arbeiten und das geht nur auf breiter Basis, weil nur Quantität auch in der Zucht zur Qualität führt. Gleichgesinnte habe ich weder in Österreich und natürlich auch in Deutschland nicht (wen interessiert unter Formalisten der Bruttrieb und auch das dunkelbraune Ei verfolgen nur wenige etc.) gefunden.
Viele Grüße aus Wien von
Heinz[/quote]
Nachtrag (Inzucht / Barnevelder)
Für diejenigen, die den Thread hier zu Inzucht allgemein und Barneveldern speziell verfolgt haben
Einer meiner Barnevelder-Hähne aus meiner 'deutsch-irischen' Kreuzung hat letztens auf der virtuellen Show im britischen Practical Poultry Forum (wg. Vogelgrippe auf dem Internet abgehalten) den 2. Platz in seiner Klasse gemacht. Da ich auch finde, dass er wirklich ein Prachtexemplar ist, will ich ihn Euch nicht vorenthalten :D
Hier im Alter von 34 Wochen (Bild von heute).
http://www.ibiblio.org/permaculture-...eeks_small.jpg
Und wo wir schon mal dabei sind:
Hier eine der 'britischen' Barnevelder-Damen, aus zugesandten Bruteiern, geschlüpft Mitte Mai, im Alter von 25 Wochen.
Inzwischen legen auch schon 3 der 4 Damen aus dem Schlupf :-*.
http://www.ibiblio.org/permaculture-..._Z_25weeks.jpg
LG
Ute
Gratulation zu diesen tollen Doppelt-Gesäumten !
Hallo Ute !
Ich finde Deine Hühner wirklich toll, insbesondere der Hahn sollte auch als Schautier jenseits der 95 P liegen. Er repräsentiert auch jenen Typ, welchen die deutschen Formalisten suchen.
Die Hennen erscheinen etwas leichter und dürften demnach etwas mehr im Umsatztyp (legen) stehen, doch das kann allenfalls nur das Fallennest beantworten.
Ich denke, dass die Doppelsäumung auch bei den Hennen überdurchschnittlich gut ist, quasi auch aus der Sicht eines Preisrichters. Ich hoffe für Dich und die Tiere, insbesondere die Zukunft der Doppelt-Gesäumten, dass auch bei möglichst vielen Hennen die wirtschaftlichen Parameter überdurchschnittlich gut sind.
Aus meiner Sicht kann man mit diesen Tieren in jedem Fall nicht nur züchten, sondern auch den Fortbestand der Rasse sichern.
Weiterhin alles Gute und viel Erfolg in der Zucht !
altsteirer.at