"Angst" ist sicher nicht, was mich heute früh etwas im Griff hatte. Schon gar keine Angst um mich. Also falls das so rüberkam, habe ich mich mißverständlich ausgedrückt. Eher Überlegungen, ob meine Viecher alle wirklich sicher sind - die Ziegen schlafen zur Zeit in einer offenen Box - und Bedenken um die Pferde, denen ein Luchs sicher nicht direkt gefährlich werden könnte (die wehren sich schon), aber auch wenn es eher abgeklärte und coole Nordländer sind, können sie auch mal Panik schieben, und die Weideausbrüche einige Sommer zuvor, bei denen, den Spuren nach, die gesamte Herde mit Karacho durch den Zaun ist, und das drei Tage in Folge, bis ich die Weide erst mal rausnahm (und im Nachhinein dann erfuhr, daß ein Luchs wahrscheinlich sich da aufhielt), haben mir schon beigebracht, erst mal mit allem zu rechnen.
Es war erst mal eine gelinde Aufregung, weil ich das einfach nicht eindeutig einsortieren konnte. Zum Hund schien es nicht zu passen, für alles andere was ich vielleicht noch wüßte, zu groß, das mit dem Langläufer, der mir erzählte er hätte da was großes, rotes gesehen noch im Hinterkopf, die Nacht zuvor fiel mir um eins noch ein, daß ich vielleicht den Hühnerstall noch offen hatte und nachsehen ging, der Terrier war auf der gesichteten Spur relativ aufgeregt - alles zusammen hat einfach mein Kopfkino etwas Amok laufen lassen , obwohl ich eigentlich eher der unaufgeregte Typ bin. Mit durchaus Respekt Tieren gegenüber, aber eher keiner Angst. Vor vielen Jahren haben wir mal nachts einen Fuchs im Hühnerstall überrascht (damals war ich noch nicht fürs Türschließen zuständig ...) Es war Sommer, ich barfuß, der Fuchs kuckt mich an als ich ihn anspreche und überlegt dann wieder, wie er nach oben zu den Hühnern auf der Stange gelangen kann. Ich hab ernsthaft überlegt, ihn mal eben mit der nackigen Zehe anzustupsen, daß er merkt, ich hab was dagegen, daß er da ist. Hätt mein Mann, der hinter mir stand, mich nicht abgehalten, ich hätt es wohl getan. So sind wir beide einfach weiter rein in den Hühnerstall, haben dabei die Tür freigemacht und sind dem Fuchs so nahe auf die Pelle gerückt, daß er es dann doch vorgezogen hat, lieber Leine zu ziehen. Das war dann aber schon beinahe Körperkontakt, - er wollte es einfach nicht glauben ...
Vor Jahren lag ein vom Luchs gerissenes Reh mehr oder weniger direkt beim Haus, der Luchs kam jede Nacht, um sich daran den Bauch zu füllen, ich hab mich deswegen nicht unwohl gefühlt, war eben nur etwas gründlicher beim Sichern der Hühner.
Also Angst, wie gesagt, eher keine. Ich suche aber auch nicht auf Teufel komm raus Kontakt. Wenn ich mit den Hunden unterwegs bin und rieche Wildschwein (Hirsch riecht man auch, und die Hunde zeigen es ja auch an), dann drehe ich im Zweifel um. Also vielleicht ein zu vorsichtigerer Mensch, was das betrifft. Wobei ich viele Jahre mit Pferden, auch schwierigen, gearbeitet habe, da lernt man Sachlichkeit.
Okina, ich kann das was Du erlebt hast, sehr gut nachfühlen, mir geht es auch oft so, wenn ich im Wald unterwegs bin. Einmal sind uns beim Reiten zwei Hirsche begegnet, das Gefühl trage ich immer noch in mir. Und die Begegnung mit dem Luchs hat meinen Puls für eine lange Weile beschleunigt, einfach weil es eine so unerwartete und großartige Begegnung war.
Trotzdem bin ich froh, daß kein großer Beutegreifer (mit Ausnahme vom Fuchs) um unseren Hof patroulliert, weil ich mir eben auch Sorgen um die Sicherheit unserer Viecher mache.
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