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Thema: Geschichtenerzähler wörtlich genommen

  1. #41
    Avatar von Lupus
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    RE: Die Fehmelinde zu Remlingrade

    Noch etwas Geschichtliches zum Thing und zur Fehmelinde zu Remlingrade:
    Das Zusammenleben der Germanen unterlag den Stammesgesetzen und den Gestezen des Thing. Das Thing, das war die Rats- und Gerichtsversammlung aller Freien. Die Freien bildeten damals den Großteil der Bevölkerung. Sie durften Waffen tragen, hatten keine Abgaben zu zahlen,und waren vollwertige Teilnehmer des Thing, sofern sie einen festen Wohnsitz hatten. Das Thing existierte in der germanischen Gesellschaft auf verschiedenen Ebenen und hatte mehrere Aufgaben. Nach Rücksprache mit einigen Vertretern der Freien bestimmten sie, was dort verhandelt wurde. Die Thingversammlung wählte Anführer und manchmal sogar Könige, die anfangs kein Erbrecht besaßen und über ihre Entscheidungen Rechenschaft ablegen mußten. Wenn es dem König nicht gelang, das Volk zu überzeugen, mußte er die Entschlüsse der Mehrheit billigen. Ablehnung eines Vorschlages wurde von den Teilnehmern durch Murren, Annahme durch Aneinanderschlagen
    ihrer Waffen zum Ausdruck gebracht. Aus einem Bericht von TACITUS wissen wir zwar, daß die Stimmenmehrheit der Freien entschied, es ist aber zu vermuten, daß die Adligen aufgrund ihres Standes mehr Recht bekamen, als ihnen zahlenmäßig zustand. Wurde im Kriegsfall ein Anführer gewählt, der die Krieger in die Schlachten führen sollte, so galt die Wahl nur für die Dauer des Kampfes. Außerdem war der Thing den Germanen das einzige gesetzgebende und rechtsprechende Organ. Die Alten und Gesetzsprecher leiteten die Debatten. Sie waren die einzigen Träger des schriftlich nicht festgehaltenen Gesetzes. Verhöre gab es nicht, und die Angeklagten konnten sich vor der Versammlung selbst verteidigen. Zeugen der Anklage und der Beklagten sagten unter Eid aus und mußten ihre Ehrhaftigkeit von sogenannten Eideshelfern bestätigen lassen.
    In der Zeit der „Völkerwanderung“ verließen große Scharen ihre skandinavische Heimat aufgrund der niedrigen Temperaturen und ließen sich in Teilen des mittleren Norddeutschlands nieder, wo sie sich mit der dortigen Bevölkerung vermischten. So entstand das Volk der „Sachsen“. Als nach einem Jahrhundert der Siedlungsraum zu kanpp wurde, zog ein Teil der Sachsen nach Südwesten in das damals menschenleere ostbergische Gebiet, wo sie sich niederließen und Höfe errichteten. So wurde der ostbergische Raum, der an die Siedlungsgebiete der Franken grenzte, zum Sachsenland. Wie sie es aus ihrem Herkunftsland gewöhnt waren, bildeten die Sachsen kleine politische Zusammenschlüsse, die „Bauernschaften“. Eine davon war die Remlingrader Bauernschaft, auch „Freiheit Remlingrade“ genannt, die aus sieben Höfen bestand. Aus einem alten Dokument wissen wir, daß diese Bauernschaft etwa 1 qkm groß war. Ungefähr in der Mitte dieses Bereiches stand die Femelinde. Sie wurde als Zeichen der Gerichtsbarkeit gewählt und bei der Rodung verschont. Die Remlingrader Hofesleute versammelten sich dort jähelich zum Thing. Auf diesem Thing wurden zum Beispiel Entscheidungen über das Anlegen von Wegen oder die Aufteilung des Bauholzes getroffen. Außerdem hatte die Linde auch die Funktion des Hauptgerichtsplatzes für die Grenzmark und somit erhielten die Urteilssprüche einen hohen Stellenwert.

    Nachbemerkung: Der Straßenbau hat diese Linde „vernichtet“. An versetzter Stelle wurde ein Reis dieser Linde gepflanzt. Diese Gedenkstätte zieren drei Findlige der sächsischen Herkunft der ersten Bürger von Remlingrade.
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  2. #42
    Avatar von Alpenfee711
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    RE: Elvira II oder III

    Da krieg ich doch glatt eine kleine Gänsehaut wie lange man doch an einem Huhn hängt und es nach Jahren "noch immer da ist". Finde ich total süß.
    Ela

  3. #43
    Avatar von Lupus
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    Die Mistel

    Nun eine Sage über eine wirklich sagenhafte Pflanze, der Mistel:
    Die Eigentümlichkeit der Pflanze, hoch oben in den Kronen der Bäume wohnen zu können und sogar im Winter ihr grünes Kleid zu bewahren, hat der Pflanze schon seit undenklichen Zeiten ein hohes Ansehen bei den Menschen verliehen. Die Germanen hielten sie sogar für ein heiliges Gewächs. Baldur, der Lichtgott, schaute einst im Traum seinen nahen Tod. Freia, die Göttermutter, verlangte von Feuer und Wasser, Bäumen, Steinen und Erden und von allen Tieren, daß sie Baldur nichts zuleide tun sollten. Auf das Geheiß der Göttermutter eilten die Götterboten zu allen Geschöpfen und ließen sie den feierlichen Eid schwören. Das rief den Ärger Lokis, des Gottes der Finsternis, hervor. Eilig schlich er sich als altes Weib zu Freia und entlockte ihr das Geständnis, daß der Mistelzweig nicht geschworen hätte, weil er ihr zu unscheinbar war. Loki ging hinaus zur Mistel, streifte einen Zweig ab, spitzte das Ende scharf zu und verwandelte den Mistelzweig durch Zauberspruch in ein todbringendes Geschoß. Im Götterhimmel Walhall prüften die Götter die Unverletzbarkeit Baldurs. Baldurs Bruder Hödur, der blinde Wintergott, stand untätig beiseite. Loki drückte ihm den Mistelzweig in die Hand und sprach: „Wirf auch du nach deinem Bruder!" Hödur warf, traf — und Baldur sank tot zu Boden. Loki erhielt seine wohlverdiente Strafe. Die Götter aber warfen die Mistel aus dem Himmel, und sie kam auf die Bäume unserer Erde, wo sie als „Heilig Heu" bis in alle Ewigkeit weitergrünen muß. So war also die unscheinbare Mistel der Tod des Lichtgottes geworden.
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  4. #44
    Avatar von Lupus
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    RE: Auf den Hund gekommen........

    Hallo pyraja,
    anbei ein Erinnerungsbild (allerdings ein Druck mit Portraitmontage des Großvaters) zur Info. Nach dem Erleben der Super-Voltegiergruppe und dem Lied "Mamatschi schenk mir ein Pferdchen..." (das Lied gab es schon vor Heintje) waren bei mir sämtliche Pferdewünsche erloschen.
    Wie in einem anderen Thread beschrieben, bin ich über ein bzw. zwei Holzpferdchen nicht rausgekommen.
    Es war einmal ein kleines Buebchen,
    das bettelte so wundersueß:
    "Mamatschi, schenke mir ein Pferdchen ! -
    Ein Pferdchen waer' mein Paradies."
    Darauf bekam der kleine Mann
    ein Schimmel-Paar aus Marzipan.
    Die sieht er an. Er weint und spricht:
    "Solche Pferde wollt' ich nicht."

    "Mamatschi, schenk' mir ein Pferdchen !
    Ein Pferdchen waer' mein Paradies.
    Mamatschi, solche Pferde wollt' ich nicht."

    Die Zeit verging. Der Knabe wuenschte
    vom Weihnachtsmann nichts als ein Pferd.
    Da kam das Christkindlein geflogen
    und schenkte ihm was er begehrt.
    Auf einem Tische stehen stolz
    vier Pferde aus lackiertem Holz.
    Die sieht er an. Er weint und spricht:
    "Solche Pferde wollt' ich nicht."

    "Mamatschi, schenk' mir ein Pferdchen !
    Ein Pferdchen waer' mein Paradies.
    Mamatschi, solche Pferde wollt' ich nicht."

    Und es vergingen viele Jahre
    und aus dem Knaben ward ein Mann.
    Dann eines Tages vor dem Tore,
    da hielt ein herrliches Gespann.
    Vor einer Prunk-Kalesche standen
    vier Pferde - reich geschmueckt und schoen.
    Die holtem ihm sein liebes Muetterlein.
    Da fiel ihm seine Jugend ein.

    "Mamatschi, schenk' mir ein Pferdchen !
    Ein Pferdchen waer' mein Paradies.
    Mamatschi, Trauerpferde wollt' ich nicht."
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  5. #45
    Avatar von pyraja
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    Hallo, Lupus!

    Ein wunderschöner Druck! Schwärm
    Dein Foto ist auch sehr niedlich!
    Ja, und das Lied... das kenn ich gut... ich weiß garnicht, wie oft meine Oma mir das vorgesungen hat. Jedesmal, wenn ich mir ein Pony gewünscht hab
    Als Kind kam ich mir ziemlich veräppelt vor.
    Schade, dass sie mein (endlich selbst gekauftes) Pferd nie gesehen hat...

    Ich hab da auch was für Dich gefunden bei SR-online:

    Verehrt wird die Mistel wegen ihrer ungewöhnlichen Lebensweise seit rund 5000 Jahren. Bereits in der Steinzeit wurden die Zweige als Viehfutter gesammelt und wohl auch für kultische Zwecke gebraucht. Bevor man wusste, dass die Pflanzen Parasiten sind und den Bäumen, auf denen sie wachsen Wasser und Mineralstoffe entziehen, glaubte man, die wurzellose Pflanze sei von den Göttern auf den Bäumen ausgesät und schrieb ihr daher magische Eigenschaften zu. Die Magier der Kelten, die Druiden, schnitten sie angeblich von den Bäumen mit einer goldenen Sichel ab und bereiteten damit Zaubertränke zu. In seiner "Historia Naturalis" beschreibt der römische Geschichtsschreiber Plinius der Ältere von 2000 Jahren den keltischen Mistelkult: Die Druiden, so nennen die Gallier ihre Magier, halten nichts für heiliger als die Mistel und den Baum, auf dem sie wächst.

    Da viel mir natürlich gleich ein, dass der Obelix auch mal "Gemüse" schneiden mußte
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  6. #46
    Avatar von Lupus
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    Kleine Mädchen

    Original von pyraja

    Ja, und das Lied... das kenn ich gut... ich weiß garnicht, wie oft meine Oma mir das vorgesungen hat. Jedesmal, wenn ich mir ein Pony gewünscht hab
    Als Kind kam ich mir ziemlich veräppelt vor.
    Schade, dass sie mein (endlich selbst gekauftes) Pferd nie gesehen hat...
    Hallo pyraja,
    ja so sind kleine Mädchen, sie kommen sich veräppelt vor. Mädchen sind eben kecker! Ich war immer ganz traurig, wenn mein Vater das Lied sang. Allerdings sang mein Vater auch so schrecklich schief, da klangen auch die lustigsten Lieder traurig. Mein Dackel hat auf jeden Fall immer mitgeheult. Der Verhaltensforscher Eberhard Trumler nannte das "Chorheulen".
    Deine Ergänzungen paßten wie "der Deckel aufm Pott" bzw."das i-Tüpfelchen auf dem i". Auch heute wird die Mistel medezinisch eingesetzt, siehe u.a. http://www.hiscia.ch/
    Auch Versuche in der Veterinärmedizin scheinen vielversprechend. Bezüglich der Mistelzucht habe ich gute Kontakte zu den Botanikern des Vereins für Krebsforschung und habe von dort schon viele Mistelsaatbeeren erhalten.
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  7. #47
    Avatar von Lupus
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    König der Vögel

    Hallo,
    eine alte Legende der Brüder Grimm aus der Avifauna:
    Der Zaunkönig
    In den alten Zeiten, da hatte jeder Klang noch Sinn und Bedeutung. Wenn der Hammer des Schmieds ertönte, so rief er "smiet mi to! smiet mi to!, Wenn der Hobel des Tischlers schnarrte, so sprach er "dor häst! dor, dor häst!, Fing das Räderwerk der Mühle an zu klappern, so sprach es "help, Herr Gott! help, Herr Gott!" und war der Müller ein Betrüger, und ließ die Mühle an, so sprach sie hochdeutsch und fragte erst langsam "wer ist da? wer ist da?" dann antwortete sie schnell "der Müller! der Müller!" und endlich ganz geschwind "stiehlt tapfer, stiehlt tapfer, vom Achtel drei Sechter."
    Zu dieser Zeit hatten auch die Vögel ihre eigene Sprache, die jedermann verstand, jetzt lautet es nur wie ein Zwitschern, Kreischen und Pfeifen, und bei einigen wie Musik ohne Worte. Es kam aber den Vögeln in den Sinn, sie wollten nicht länger ohne Herrn sein und einen unter sich zu ihrem König wählen. Nur einer von ihnen, der Kiebitz, war dagegen: frei hatte er gelebt und frei wollte er sterben, und angstvoll hin- und herfliegend rief er "wo bliew ick? wo bliew ick?" Er zog sich zurück in einsame und unbesuchte Sümpfe und zeigte sich nicht wieder unter seinesgleichen.
    Die Vögel wollten sich nun über die Sache besprechen, und an einem schönen Maimorgen kamen sie alle aus Wäldern und Feldern zusammen, Adler und Buchfink, Eule und Krähe, Lerche und Sperling, was soll ich sie alle nennen? selbst der Kuckuck kam und der Wiedehopf, sein Küster, der so heißt, weil er sich immer ein paar Tage früher hören lässt; auch ein ganz kleiner Vogel, der noch keinen Namen hatte, mischte sich unter die Schar. Das Huhn, das zufällig von der ganzen Sache nichts gehört hatte, verwunderte sich über die große Versammlung. "Wat, wat, wat is den dar to don?" gackerte es, aber der Hahn beruhigte seine liebe Henne und sagte "luter riek Lüd," erzählte ihr auch, was sie vorhätten. Es ward aber beschlossen, dass der König sein sollte, der am höchsten fliegen könnte. Ein Laubfrosch, der im Gebüsch saß, rief, als er das hörte, warnend "natt, natt, natt! natt, natt, natt!" weil er meinte, es würden deshalb viel Tränen vergossen werden. Die Krähe aber sagte "Quark ok," es sollte alles friedlich abgehen.
    Es ward nun beschlossen, sie wollten gleich an diesem schönen Morgen aufsteigen, damit niemand hinterher sagen könnte "ich wäre wohl noch höher geflogen, aber der Abend kam, da konnte ich nicht mehr." Auf ein gegebenes Zeichen erhob sich also die ganze Schar in die Lüfte. Der Staub stieg da von dem Felde auf, es war ein gewaltiges Sausen und Brausen und Fittichschlagen, und es sah aus, als wenn eine schwarze Wolke dahinzöge. Die kleinern Vögel aber blieben bald zurück, konnten nicht weiter und fielen wieder auf die Erde. Die größeren hielten es länger aus, aber keiner konnte es dem Adler gleich tun, der stieg so hoch, dass er der Sonne hätte die Augen aushacken können. Und als er sah, dass die andern nicht zu ihm herauf konnten, so dachte er "was willst du noch höher fliegen, du bist doch der König," und fing an sich wieder herabzulassen. Die Vögel unter ihm riefen ihm alle gleich zu "du musst unser König sein, keiner ist höher geflogen als du." "Ausgenommen ich," schrie der kleine Kerl ohne Namen, der sich in die Brustfedern des Adlers verkrochen hatte. Und da er nicht müde war, so stieg er auf und stieg so hoch, dass er Gott auf seinem Stuhle konnte sitzen sehen. Als er aber so weit gekommen war, legte er seine Flügel zusammen, sank herab und rief unten mit feiner durchdringender Stimme "König bün ick! König bün ick!"
    "Du unser König?, schrieen die Vögel zornig, "durch Ränke und Listen hast du es dahin gebracht." Sie machten eine andere Bedingung, der sollte ihr König sein, der am tiefsten in die Erde fallen könnte. Wie klatschte da die Gans mit ihrer breiten Brust wieder auf das Land! Wie scharrte der Hahn schnell ein Loch! Die Ente kam am schlimmsten weg, sie sprang in einen Graben, verrenkte sich aber die Beine und watschelte fort zum nahen Teiche mit dem Ausruf "Pracherwerk! Pracherwerk!" Der Kleine ohne Namen aber suchte ein Mäuseloch, schlüpfte hinab und rief mit seiner feinen Stimme heraus "König bün ick! König bün ick!"
    "Du unser König?" riefen die Vögel noch zorniger, "meinst du, deine Listen sollten gelten?" Sie beschlossen, ihn in seinem Loch gefangen zu halten und auszuhungern. Die Eule ward als Wache davor gestellt: sie sollte den Schelm nicht herauslassen, so lieb ihr das Leben wäre. Als es aber Abend geworden war und die Vögel von der Anstrengung beim Fliegen große Müdigkeit empfanden, so gingen sie mit Weib und Kind zu Bett. Die Eule allein blieb bei dem Mäuseloch stehen und blickte mit ihren großen Augen unverwandt hinein. Indessen war sie auch müde geworden und dachte "ein Auge kannst du wohl zutun, da wachst ja noch mit dem andern, und der kleine Bösewicht soll nicht aus seinem Loch heraus!" Also tat sie das eine Auge zu und schaute mit dem andern steif auf das Mäuseloch. Der kleine Kerl guckte mit dem Kopf heraus und wollte weg witschen, aber die Eule trat gleich davor, und er zog den Kopf wieder zurück. Dann tat die Eule das eine Auge wieder auf und das andere zu, und wollte so die ganze Nacht abwechseln. Aber als sie das eine Auge wieder zumachte, vergaß sie das andere aufzutun, und sobald die beiden Augen zu waren, schlief sie ein. Der Kleine merkte das bald und schlüpfte weg.
    Von der Zeit an darf sich die Eule nicht mehr am Tage sehen lassen, sonst sind die andern Vögel hinter ihr her und zerzausen ihr das Fell. Sie fliegt nur zur Nachtzeit aus, hasst aber und verfolgt die Mäuse, weil sie solche böse Löcher machen. Auch der kleine Vogel lässt sich nicht gerne sehen, weil er fürchtet, es ginge ihm an den Kragen, wenn er erwischt würde. Er schlüpft in den Zäunen herum, und wenn er ganz sicher ist, ruft er wohl zuweilen "König bün ick!, und deshalb nennen ihn die andern Vögel aus Spott Zaunkönig.
    Niemand aber war froher als die Lerche, dass sie dem Zaunkönig nicht zu gehorchen brauchte. Wie sich die Sonne blicken lässt, steigt sie in die Lüfte und ruft "ach, wo is dat schön! schön is dat! schön! schön! ach, wo is dat schön!"

  8. #48
    Avatar von pyraja
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    total schön! Danke fürs reinschreiben
    Ich hatte als Kind diese Geschichte als LP.
    Da war dieser Ohrwurm drauf:

    Der Uh, der Uh
    der macht das Auge auf und zu
    mal das Rechte, mal das Linke
    mal das Linke, mal das Rechte...

    ich fang hier gleich an zu singen :P

  9. #49
    Avatar von Lupus
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    BSE und H5N1

    Noch eine Geschichte (oder ist das das heutige tägliche Leben?) der Brüder Grimm. Meines Wissens handeln unsere heutigen verantwortlichen Politiker genau soooo....!!.Vor ein paar hundert Jahren, als die Leute noch lange nicht so klug und verschmitzt waren, wie sie heutzutage sind, hat sich in einer kleinen Stadt eine seltsame Geschichte zugetragen. Von ungefähr war eine von den großen Eulen, die man Schuhu nennt, aus dem benachbarten Walde bei nächtlicher Weile in die Scheuer eines Bürgers geraten und wagte sich, als der Tag anbrach, aus Furcht vor den Vögeln, die, wenn sie sich blicken lässt, ein furchtbares Geschrei erheben, nicht wieder aus ihrem Schlupfwinkel heraus. Als nun der Hausknecht morgens in die Scheuer kam, um Stroh für die Tiere zu holen, erschrak er bei dem Anblick der Eule, die da in einer Ecke saß und so schrecklich aussah, so gewaltig, dass er fortlief und seinem Herrn ankündigte, ein Ungeheuer, wie er zeit seines Lebens keins erblickt hätte, säße in der Scheuer, drehte die Augen im Kopf herum und könnte einen ohne Umstände verschlingen. "Ich kenne dich schon", sagte der Herr, "einer Amsel im Felde nachzujagen, dazu hast du Mut genug; aber wenn du ein totes Huhn liegen siehst, so holst du dir erst einen Stock, ehe du ihm nahe kommst. Ich muss nur selbst einmal nachsehen, was das für ein Ungeheuer ist", setzte der Herr hinzu, ging ganz tapfer zur Scheuer hinein und blickte umher. Als er aber das seltsame und greuliche Tier mit eigenen Augen sah, so geriet er in nicht geringere Angst als der Knecht. Mit ein paar Sätzen sprang er hinaus, lief zu seinen Nachbarn und bat sie flehentlich, ihm gegen ein unbekanntes und gefährliches Tier Beistand zu leisten; ohnehin könnte die ganze Stadt in Gefahr kommen, wenn es aus der Scheuer, wo es säße, herausbräche. So entstand großer Lärm und Geschrei in allen Straßen: die Bürger kamen mit Spießen, Heugabeln, Sensen und Äxten bewaffnet herbei, als wollten sie gegen den Feind ausziehen; zuletzt erschienen auch die Herren des Rats mit dem Bürgermeister an der Spitze. Als sie sich auf dem Markt geordnet hatten, zogen sie zu der Scheuer und umringten sie von allen Seiten. Hierauf trat einer der Beherztesten hervor und ging mit gefälltem Spieß hinein, kam aber gleich darauf mit einem Schrei und totenbleich wieder herausgelaufen und konnte kein Wort hervorbringen. Noch zwei andere wagten sich hinein, es erging ihnen aber nicht besser. Endlich trat einer hervor, ein großer, starker Mann, der wegen seiner Kriegstaten berühmt war, und sprach "mit bloßem Ansehen werdet ihr das Ungetüm nicht vertreiben, hier muss Ernst gebraucht werden; aber ich sehe, dass ihr alle zu Weibern geworden seid und keiner den Fuchs beißen will." Er ließ sich Harnisch, Schwert und Spieß bringen und rüstete sich. Alle rühmten seinen Mut, obgleich viele um sein Leben besorgt waren. Die beiden Scheuertore wurden aufgetan, und man erblickte die Eule, die sich indessen in die Mitte auf einen großen Querbalken gesetzt hatte. Er ließ eine Leiter herbeibringen, und als er sie anlegte und sich bereitete hinaufzusteigen, so riefen ihm alle zu, er solle sich männlich halten, und empfahlen ihn dem heiligen Georg, der den Drachen getötet hatte. Als er bald oben war und die Eule sah, dass er an sie wollte, auch von der Menge und dem Geschrei des Volkes verwirrt war und nicht wusste, wo hinaus, so verdrehte sie die Augen, sträubte die Federn, öffnete die Flügel, gnappte mit dem Schnabel und ließ ihr schuhu, schuhu mit rauher Stimme hören. "Stoß zu, stoß zu !" rief die wackere Menge draußen dem tapferen Helden zu. "Wer hier stände, wo ich stehe" antwortete er, "der würde nicht 'stoß zu' rufen." Er setzte zwar den Fuß noch eine Staffel höher, dann aber fing er an zu zittern und machte sich halb ohnmächtig auf den Rückweg. Nun war keiner mehr übrig, der sich in die Gefahr hätte begeben wollen. "Das Ungeheuer" sagten sie, "hat den stärksten Mann, der unter uns zu finden war, durch sein Gnappen und Anhauchen allein vergiftet und tödlich verwundet. Sollen wir andern auch unser Leben in die Schanze schlagen ?" Sie ratschlagten, was zu tun wäre, wenn die ganze Stadt nicht sollte zugrunde gehen. Lange Zeit schien alles vergeblich, bis endlich der Bürgermeister einen Ausweg fand. "Meine Meinung geht dahin" sprach er, "dass wir aus gemeinem Säckel diese Scheuer samt allem, was darin liegt, Getreide, Stroh und Heu, dem Eigentümer bezahlen und ihn schadlos halten, dann aber das ganze Gebäude und mit ihm das fürchterliche Tier abbrennen, so braucht doch niemand sein Leben daransetzen. Hier ist keine Gelegenheit zu sparen, und Knauserei wäre übel angewendet." Alle stimmten ihm bei. Also wurde die Scheuer an vier Ecken angezündet und mit ihr die Eule jämmerlich verbrannt. Wer's nicht glauben will, der gehe hin und frage selbst nach.
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  10. #50
    Avatar von Lupus
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    Der Geisterhahn

    Hallo,
    Dahlhausen-Wupper ist ein kleines Industriedorf, daß sich im engen Tal der Wupper entlang des Flusses befindet. Bis in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurden die Wupperortschaften durch die Textilindustrie und Firmen wie Wülfing, Hardt-Pocorny und Schürmann & Schröder geprägt. Praktisch alle Familien lebten direkt oder indirekt von der Textilindustrie. Die Firmeninhaber besaßen schöne Villen einschl. toller Parkanlagen. In Dahlhausen grenzt der Park ans schräg abfallende Wupperufer, ist aber mit riesigen Rododendren eingefaßt. Das Wupperufer selbst ist dicht mit diversen dornigen Gehölzen und wildem Hopfen bewachsen. In dem Park befindet sich ein schöner offener Pavillon.

    Damals züchtete ich schon Buschhühner und besuchte so oft ich konnte, im Nachbarort einen alten Geflügelzüchter, um mit den Ohren "zu stehlen" und vieles zu lernen. Dieser Züchter hatte u.a. auch silberne Zwerg-Italiener. Da diese Hühner auch "wie die Teufel" flogen, erwarb ich eine Italiener-Henne. Aus der Verpaarung mit Buschühnern ergaben sich sehr schöne Buschhühner - allerdings alle in Silber.
    Diese "Fehlfarben" wollte ich im Herbst einfangen. Einige Tiere wurden in der Nacht aus den Bäumen gepflückt, weitere mit Kescher und Netzen gefangen. In diesem ganzen Durcheinander flogen ein silberner Buschhahn und 2 Buschhennen sowie einige Wildputen über die Wupper in den Park einer Dahlhauser Industriellenfamilie.

    Zuerst war man dort von den Neuankömmlingen begeistert. Es war schon ein tolles Bild, wenn kurz nach Sonnenaufgang die Puten und der Buschhahn, seine Hennen führend, auf der Rasenfläche mit Wildkaninchen und grünfüßigen Teichhühnern der Nahrungsaufnahme nachgingen.

    Angeblich werden im Tal der Wupper die Menschen mit Regenschirmen oder Schwimmhäuten geboren, so sagt man im Bergischen. Das neue Parkgeflügel merkte bald, daß der Pavillon super vor dem Bergischen Regen schützt. Beim Warten auf besseres Wetter, hinterließ das Federvieh so manche Hinterlassenschaft im Pavillon. Besonders die Verdauungsprodukte der Wildputen waren nicht von schlechten Eltern.

    Die Begeisterung für die neuen Parkbewohner schwand also sehr schnell dahin. Die Puten wurden in der Nacht "vom Ast geschüttelt" und schnell eingefangen. Auch die Buschhennen gelangten Dank einer
    selbstgebauten Lebendfalle schnell in unserem Besitz. Die Falle besteht aus vier Brettern mit einem Lattendeckel. Die Scharniere des Deckel sind aus Leder. Der Kasten wurde im Park aufgestellt. Im geöffneten Kasten wird angefüttert. Ist die Futterstelle angenommen, wird die Falle mit Hilfe dreier Ästchen fängisch gestellt. Die Falle muß täglich mehrmals kontolliert werden. Rabenvögel, die sich u.U. auch darin fangen, werden dann umgehend freigelassen. Auch der "Silberhahn" ging in diese Falle, entwischte aber beim Herausnehmen. Dieses Mißgeschick wiederholte sich noch zweimal. Danach machte der Hahn einen Riesenbogen um den Holzkasten. Er mied von nun an nicht nur die Falle sondern wurde bei den vielen Fangversuchen auch immer scheuer. Er wurde bald nicht mehr gesehen, nur sein morgendliches Krähen verriet seine Anwesenheit. So erhielt dieser unsichtbare Hahn seinen Namen "Geisterhahn".

    Störte bisher nur der Geflügelkot im Pavillon, wurde jetzt von den Villenbewohnern auch das Krähen als störend empfunden. 2 Jahre entzog sich der Hahn allen menschlichen Nachstellungen. Dann endete das Geisterleben ruhmlos und trivial. Nach dem Motto "ewig lockt das Weib" wurde ein handzahmes Zwerghühnchen in den Park gesetzt.
    Der Geisterhahn hatte wohl von seiner Abstinenz den Schnabel voll und folgte abends dem Hühnchen in einen Schuppen und war gefangen.
    Sein Geisterleben war beendet, er lebte dann noch gut 8 Jahre auf einem Biohof bei Wuppertal-Beyenburg als Hofhahn.

    Sicherlich erzählte er dann noch oft seinen Küken die Geschichte vom Geisterhahn: "Vor langer, langer Zeit...........
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