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Vogelgrippe:
Geflügel-Schmuggel bedroht EU
VON HEIKE HAUSENSTEINER (Die Presse) 06.07.2006
Illegaler Fleischhandel wird zu einem wachsenden Gesundheitsrisiko.
WIEN. Die Zollbeamten, die mit Unterstützung der EU die Grenze zwischen Transnistrien und der Ukraine bewachen, haben alle Hände voll zu tun. Elf Tonnen Drogen, 5520 Schachteln Zigaretten, 2550 Liter Alkohol, 115 Tonnen geschmuggeltes Geflügel und Gemüse stellten sie allein Anfang Juni sicher - mehr als in den ersten drei Monaten dieses Jahres.
Moldawien gilt mit der (international nicht anerkannten) pro-russischen Separatistenrepublik Transnistrien, die sich 1992 von Moldau lossagte, als Hauptumschlagplatz in Europa für geschmuggeltes Geflügel. Dafür spricht auch, dass der Fleischkonsum im kleinen Moldawien (vier Millionen Einwohner) etwa so hoch angegeben wird wie jener in der großen Ukraine (48 Millionen Einwohner).
Vorzugsweise Hühnerfleisch aus den USA und China wird in die Ukraine exportiert oder auf illegalem Weg nach Westeuropa gebracht. Italien ist eine bevorzugte Drehscheibe.
Gut verdienen können dabei die transnistrische Regierung und die mutmaßlichen Fleischschmuggler. Die Erträge sollen höher sein als beim illegalen Waffenhandel.
Die Geflügelpest verschärft die Problematik zusätzlich. Schätzungen zufolge nimmt der internationale Tierschmuggel bereits den zweiten Platz hinter dem illegalen Drogenhandel ein. Genaue Angaben gibt es freilich nicht. Ein knappes "Nein" hat eine entsprechende Anfrage bei der Kommission in Brüssel ergeben.
Die EU steht denn auch der Vogelgrippe machtlos gegenüber. Das international verfrachtete Gefieder ist laut Umweltschützern und Ornithologen hauptverantwortlich für die Ausbreitung des H5N1-Virus von Osten nach Westen, nicht so sehr die Migration der Zugvögel. Sind diese nämlich an der Vogelgrippe erkrankt, verenden sie innerhalb von 48 Stunden und können nicht mehr weit fliegen.
In gefrorenem Fleisch, im Gefieder oder in den Käfigen überlebt das Virus hingegen. Besorgniserregend ist die Verbreitung der Vogelgrippe vor allem in den Entwicklungsländern und Afrika; in Nigeria und Ägypten konnte der Virusstamm bis China zurückverfolgt werden. Geld für Schutzmaßnahmen fehlt hier.
Zur weltweiten Bekämpfung der Vogelgrippe stellt die EU-Kommission 100 Millionen Euro bereit. Dass die 25 Mitgliedstaaten aber gemeinsam Vorsorge treffen, ist undenkbar. Bei einem diesbezüglichen Treffen unter der österreichischen Ratspräsidentschaft konnten sich die EU-25 über ein zentrales Medikamentenlager weiterhin nicht einigen. Die Mitgliedstaaten verbieten sich eine Einmischung in die nationale Gesundheitspolitik.
Bisher kann sich die Gemeinschaft daher nur auf finanzielle Unterstützung von Forschungsprojekten und Aufklärungskampagnen sowie ein gemeinsames Importverbot verständigen - unter anderem aus den Beitrittsländern Rumänien und Türkei aber auch China.
Acht Millionen Euro kostet die Europäische Union die Grenzüberwachungsmission in Moldawien. Die Mission soll zunächst zwei Jahre dauern. Die EU hofft, den Geflügel-Schmuggel auf diese Weise generell sowie Frauenhandel und Korruption einzudämmen.
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