Interview mit HS in der Wirtschaftswoche
Horst Seehofer» Bundesminister Horst Seehofer über Risiken der Vogelgrippe, Chancen der Gentechnik und Bioenergie – und mehr Effizienz im Gesundheitswesen.
WirtschaftsWoche: Herr Minister, gleich nach Ihrem Amtsantritt hatten Sie Ihre Feuertaufe bei der Bekämpfung der Vogelgrippe und dem Skandal um Gammelfleisch. Sind denn die Gefahren für die Bürger mittlerweile gebannt?
Seehofer: Gegen Gammelfleisch und andere Ekeleien in der Nahrungsmittelkette haben wir das Verbraucherinformationsgesetz beschlossen, das meine grüne Amtsvorgängerin in Jahren nicht zu Stande brachte. Lebensmittel sind so sicher wie nie zuvor, auch wenn wir nie ein Risiko null erreichen können.
Wie hoch schätzen Sie das Risiko der Vogelgrippe noch ein?
Mit dem Virus werden wir noch länger leben müssen. Insofern kann ich keine Entwarnung geben, selbst wenn die Gefahr eines Übergreifens auf den Menschen bei uns extrem gering ist.
Wie lange werden Sie die Stallpflicht für Geflügel aufrechterhalten?
Wir gehen jetzt von der totalen zu einer reduzierten Stallpflicht über, die wir auf Risikogebiete insbesondere in der Nähe von Gewässern beschränken.
Einige Bundesländer wie Bayern legen die reduzierte Stallpflicht allerdings großzügig aus.
Wenn Landesminister ihre Gebiete pauschal für vogelfrei erklären und auch an Seen und Flüssen die Stallpflicht lockern, werde ich diese Bundesländer explizit in die Verantwortung nehmen. Das Risiko ist einfach noch zu groß. Das zeigen auch die aktuellen Ausbrüche bei Nutzgeflügel in Rumänien und Dänemark.
Kommt für Sie ein Impfen der Bestände infrage, sodass die Stallpflicht eines Tages aufgehoben werden könnte?
Derzeit noch nicht. Aber das Friedrich-Loeffler-Institut auf Riems, eines der besten Forschungsinstitute weltweit, arbeitet an einem markierten Impfstoff. Dann ließe sich auch bei Tieruntersuchungen zweifelsfrei zwischen geimpften und erkrankten Tieren unterscheiden. Das wäre der Durchbruch bei der Bekämpfung der Vogelgrippe, aber realistischerweise dürfen wir uns hier für die nächsten beiden Jahre noch keine allzu großen Hoffnungen machen.
Zwischen Hoffen und Bangen schwanken die Bürger auch bei der grünen Gentechnik. CSU-Generalsekretär Markus Söder hat sich gegen Freilandversuche ausgesprochen. Wie halten Sie es damit?
Die Bürger sehen in der grünen Gentechnik viele Risiken und wenig Nutzen. Aber die Pflege des Nichtwissens kann nicht die Antwort Deutschlands in dieser zukunftsträchtigen Technologie sein. Deshalb bin ich entschieden dafür, dass sich Deutschland an der Forschung beteiligt. Wir fördern jede verantwortbare Forschung im Freiland. Gerade erst haben wir einen Antrag aus Rostock für Kartoffelversuche genehmigt.
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Die nächste Stufe wäre die kommerzielle Nutzung genveränderter Pflanzen.
Da bin ich noch sehr zurückhaltend. Wir wollen nicht Unfrieden in die Dörfer tragen. Erst müssen die Saatguthersteller und -nutzer zusammen mit der Versicherungsbranche die Haftungsfrage klären, etwa wenn Samen von genveränderten Pflanzen auf benachbarte Äcker gelangen. Hier scheut die Wirtschaft bisher die Verantwortung und spielt so den Gentechnikgegnern in die Hände. Diese Woche werde ich dazu abschließende Gespräche mit der Wirtschaft führen, die sich erklären muss, ob sie zur Einrichtung eines Haftungsfonds bereit ist. Dann werde ich die Koalition unterrichten. Und dann entscheidet sich, wie Deutschland in den nächsten Jahren mit der grünen Gentechnik verfahren wird.
Wie beurteilen Sie die Perspektiven bei den Biokraftstoffen, wenn die Bundesregierung darauf ab August 2006 eine Steuer von 10 bis 15 Cent je Liter erheben will?
Die Bundesregierung will Biokraftstoffe. Die Quote soll von derzeit zwei bis drei Prozent am Kraftstoffaufkommen kurzfristig verdoppelt und später verdreifacht werden. Ich halte das für einen Zukunftsmarkt.
Ist dann nicht die Steuer darauf kontraproduktiv?
Nicht jede Besteuerung ist gleich ein Anschlag. Wir mussten handeln, um die Gefahr einer Überförderung von Bioenergie zu bannen, die unweigerlich die EU-Kommission auf den Plan gerufen hätte. Denn seit dem kräftigen Anstieg der Mineralölpreise sind auch die Biokraftstoffe teurer geworden, ohne dass deren Herstellungskosten entsprechend gestiegen sind. Um diese Windfall-Profits geht es jetzt.
Dann müsste die Bundesregierung aber ständig den Steuersatz ändern, je nachdem wie sich der Mineralölpreis gerade entwickelt.
Nun wird erst einmal der Bundestag die Höhe der Teilbesteuerung beschließen. Danach müssen wir sicherlich die Höhe regelmäßig überprüfen, aber gewiss nicht jeden Monat.
Vergangene Woche hat Bundespräsident Horst Köhler gefordert, höhere Steuern sollten vor allem dazu dienen, die Lohnnebenkosten zu senken und nicht Haushaltslöcher zu stopfen. Das wurde állseits als Kritik an der großen Koalition verstanden.
Aber genau damit haben wir doch endlich angefangen, nachdem die Politik jahrzehntelang in die andere Richtung lief. Diese Regierung verwendet einen Teil der zusätzlichen Mehrwertsteuereinnahmen, um die Beträge zur Arbeitslosenversicherung zu senken. Wenn Bundespräsident Köhler uns nun mahnt, hier nicht nachzulassen, gebe ich ihm Recht. Wir müssen mittelfristig einen größeren Teil unseres Sozialsystems über Steuern finanzieren. Das bedeutet aber keine Mehrbelastung für die Bürger, sondern Umschichtungen im Steuer- und Abgabensystem. Im Klartext: Mehr allgemeine Steuern statt arbeitsplatzbelastender Sozialabgaben.
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