Die Grünen in Schleswig-Holstein haben auf ihrem Landesparteitag in Plön vor kurzem folgendes beschlossen:

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Landesverband Schleswig-Holstein
Beschluss
des ordentlichen Landesparteitages
06./07. Mai 2006


Der Landesparteitag hat beschlossen:


FREILANDHALTUNG FÜR GEFLÜGEL MUSS WEITER MÖGLICH BLEIBEN

Die Landtags- und die Bundestagsfraktion von BÜNDNIS ´90 / DIE GRÜNEN möge sich dafür einsetzen, dass die Freilandhaltung von Geflügel nicht nur eine Option sonder die Perspektive einer artgerechten Tierhaltung bleibt.
Vom Land ist eine praktikable Umsetzung von gesetzlichen Vorgaben zur Geflügelhaltung zu fordern, die geeignet ist, Freilandhaltung weiterhin wirtschaftlich betreiben zu können.
Landtags- und die Bundestagsfraktion mögen sich dafür einsetzen, dass im Zuge der Umsetzung der Änderung der EU-Geflügelmarktordnung die Gelder, die als Hilfestellung für Geflügelhalter fließen sollen, gezielt in den Sektor Freilandhaltung fließen.
Begleitend fordern wir ein intensives Wildvogelmonitoring und ein Virusmonitoring in Nutzgeflügelbeständen.



Begründung:

1.
Die Bundesregierung hat die so genannte Aufstallungspflicht zur R e g e l -Haltungsform auf u n b e g r e n z t e Zeit vorgeschrieben. Die Freilandhaltung war ein Vierteljahr lang so gut wie gar nicht, und ist ab Mitte Mai nur unter ganz bestimmten Bedingungen ausnahmsweise möglich.
Der Erlass bedeutet das faktische Aus für viele Freilandhaltungen in Deutschland. Tatsächlich haben zahlreiche Geflügelhalter schon aufgegeben. Viele sind entmutigt, in der Zeitung gibt Hühner zu verschenken…
Damit ist ein von uns GRÜNEN favorisiertes Haltungssystem, nämlich die art- und verhaltensgerechte Freilandhaltung von Nutztieren, in Deutschland vom Grundsatz her in Frage gestellt.
Besonders zu leiden haben so genannte Privathalter, Rassegeflügelzüchter, Gänsehalter und eiererzeugende Freilandbetriebe, die ihren Tieren ein möglichst artgerechtes Leben anbieten möchten. Im Kreis Plön allein gibt es über 1000 Geflügelhalter.
Die Kennzeichnungsverordnung für Eier schreibt vor, dass längstens bis zum 12. Mai Legehennen nicht im Freiland gehalten werden dürfen, um unter dem Etikett „Eier aus Freilandhaltung“ vermarkten zu dürfen.
Andere Länder der EU wie zum Beispiel Belgien, Schweiz, Niederlande werden ab Mitte Mai keine Aufstallungspflicht mehr haben. In weiteren EU-Ländern hat es überhaupt keine gegeben.




2.
Es ist zu beobachten, dass politische Kräfte die Überhand bekommen, die als Interessenvertreter der Massentierhalter einzuordnen sind. Letzter Beweis ist die Aufhebung des von Ministerin Künast ihrerzeit verfügten Auslaufens der Käfighaltung für Legehennen als erlaubte Haltungsform. Seit dem 7. April dürfen agrarindustriell strukturierte Hühnerhaltungen wieder auch künftig ihr Geld damit verdienen, Hühner auf Gitter übereinander gestapelt auf engstem Raum zu biologischen Höchstleistungen zu zwingen, und das, obwohl das Bundesverfassungsgericht die herkömmliche Käfighaltung vor Jahren bereits als Tierquälerei einstufte.
Allerdings verzichteten Verbraucherinnen und Verbraucher wie auch der Handel zunehmend auf Eier aus Käfighaltung. Der Bedarf an Freilandeiern konnte in Deutschland nicht mehr gedeckt werden, etwa die Hälfte der Freilandeier in Deutschland stammt aus dem Ausland.
In Käfighaltung sind Hühner in Millionenanzahl haltbar. Die Gewinne aus dieser äußerst wenig Arbeitsplatze benötigen Haltung konzentrieren sich in den Taschen einiger weniger Unternehmer. Diese nutzen alle Möglichkeiten, andere Haltungsformen zu diskreditieren.


3.
Stallhaltung und Vogelgrippe-Seuchengeschehen stehen n i c h t in dem Zusammenhang, wie Geflügelwirtschaft und Teile von Wissenschaft und Verwaltung es gern hätten und darstellten.
Vielmehr zeigt sich, dass Vögel, die sich in gutem Allgemeinzustand befinden und ihrer Art entsprechend leben, weniger anfällig sind für Infektion, Erkrankung und damit Weiterverbreitung, als die Tiere, die geschlossenen Hallen leben müssen. Tausende Tiere, die auf engstem Raum nebeneinander leben müssen, bieten ideale Vermehrungsmöglichkeiten für Krankheitserreger. Verschlimmernd sind sie einseitig auf Leistung statt Gesundheit und Vitalität gezüchtet, leiden unter sozialem und anderem Dauerstress. Sie können Krankheitserregern nicht den Widerstand entgegen setzen, wie es gesund gezüchtete und artgerecht gehaltene Tiere können.
Die Beobachtungen auf der Insel Rügen und in dem Geflügelbetrieb in Sachsen bestätigen dies unmissverständlich. Auf Rügen starben nicht mehr Wildvögel als in einem beliebigen anderen harten Winter. In Sachsen starben hunderte Puten in der fabrikmäßigen Hallenhaltung; keine einzige Gans in Freilandhaltung auf demselben Betrieb war krank.

4.
Die Ausbrüche von Vogelgrippe passieren von Experten völlig unerwartet. Das heißt, die Annahme, dass der Virus dem Zugvogelgeschehen folge, ist so nicht haltbar. Alle auf das Wildvogelgeschehen gestützte Prognosen erwiesen sich bislang als falsch. Die meisten toten Schwäne waren standorttreue Vögel, also nicht Zugvögel. Infektionen und Todesfälle bei Nutzgeflügel wurden bislang nicht in der Nähe infizierter Wildvogelbestände ausgemacht, welche übrigens ihrerseits auch nicht in rauen Mengen umfallen, wie es angesichts der propagierten Gefährlichkeit des Virus der Fall sein müsste.
So sehr Interessenvertreter der Massentierhaltung sich einen die von ihnen gern verbreitete Theorie erhärtenden Hinweis wünscht, ist bislang nur zu beobachten, dass ein seuchenhaftes Massengeschehen bisher nur in Hallenhaltungen vorkam. Bekannterweise sucht man in Deutschland besonders intensiv nach toten Vögeln …

Mittlerweile mehren sich Vermutungen, dass die Ansteckungen umgekehrt verlaufen. Abfallprodukte aus Geflügelhaltungen infizieren die Wildvögel mit in Massentierhaltung hochinfektiös gemachten Viren.
Der Virus folgt offensichtlich den Wegen, die die arbeitsspezialisierte durchorganisierte Massentierhaltung geht. Das ist, bei der Geflügelhaltung, eine international organisierte und eng verflochtene Struktur. Legehennenbetriebe stallen halbjahralte Legehennen auf, die ihrerseits aus Aufzuchtbetrieben kommen. Diese erhalten Küken aus Brütereien, die ihre Eier wiederum aus Elterntierhaltungs- bzw. Vermehrungsbetrieben beziehen. Ausgediente Legehennen werden in spezialisierten Schlachtereien geschlachtet. Ähnliches gilt für die Hühnermast bzw. für die Wassergeflügelhaltung. Es gilt, die Aufmerksamkeit auf d i e s e Transportwege als mögliche seuchengeschehenfördernde Verfahrensweisen zu richten.
5.
Auch Nordrhein-Westfalen fordert ein Ende der Aufstallungspflicht.
Von einigen anderen EU-Ländern ist bekannt, dass sie ebenfalls, so fern eine Aufstallungspflicht bestand, diese nach dem 12. Mai nicht verlängert wird. Einige andere hatten gar keine Aufstallungspflicht.


Fazit:
Einigen einflussstarken wirtschaftlichen Kräften kam der Vogelgrippe-Virus gerade gelegen, um die Käfighaltung, die in Deutschland bereits Auslaufmodell war, wieder salonfähig zu machen.

Wir müssen dafür kämpfen, dass Freilandhaltung für Nutztiere in Deutschland nicht nur möglich bleibt, sondern als die Form einer artgerechten Tierhaltung anzustreben ist. Gefragt ist ein dauerhaft tragfähiges Seuchenkonzeptionskonzept, welches die Freilandhaltung nicht von vornherein außen vor lässt, sondern sie selbstverständlich mit umfasst. Denn das ist die artgerechteste Haltung mit den gesünderen Tiere, von denen die gesünderen Lebensmittel stammen.