Die Geflügelzüchter kämpfen um ihre Existenz
Vogelgrippe: Bundesminister Horst Seehofer ist mit seinem Krisenmanagement zur Reizfigur geworden - Morgen Demonstration in Berlin
Mönchberg. (Kreis Miltenberg). Bei den Geflügelzüchtern wächst der Unmut gegen Bundesminister Horst Seehofer. Mit seinem Krisenmanagement im Kampf gegen das H5N1-Virus gefährde er zahlreiche Zuchtbetriebe, sagt Thomas Zöller, Geschäftsführer des Bundes Deutscher Rassegeflügelzüchter (BDRG) aus Mönchberg. Morgen demonstrieren die Züchter in Berlin gegen die Verordnung, ihre Tiere im Stall zu halten.
Die Aussichten auf Erfolg sind indes schlecht. Erst kürzlich bestätigte Seehofer in einem Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin »Der Spiegel«, dass »die Stallpflicht bleibt«. Seine Begründung: Deutschland sei im Vergleich mit den anderen europäischen Ländern bei über 300 an Vogelgrippe verendeten Tieren mit Abstand am meisten betroffen.
Das Virus ist da und
lebt mitten unter uns.
Bundesminister Horst Seehofer
Durch das Auftreten des gefährlichen H5N1-Asia-Virus in einem Geflügelzuchtbetrieb in Wermsdorf bei Leipzig - 30000 Puten wurden gekeult - sei das Risiko größer geworden. Befreiungen von der Stallpflicht würden nur »in sehr begrenztem Umfang« zugelassen. Die Maßnahme, räumte Seehofer ein, werde in den Risikogebieten das Ende der Freilandhaltung bedeuten. Der Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz formulierte drastisch: »Das Virus ist da und lebt mitten unter uns.«
Durch solche Aussagen ist Horst Seehofer bei den Geflügelzüchtern zur Reizfigur geworden. Nach Ansicht von Thomas Zöller ist am Krisenmanagement des CSU-Mannes schon die Grundannahme fehlerhaft. So verlasse sich der Minister in seiner Risikobewertung auf die Bundesforschungsanstalt Insel Riems, die von einer Übertragung des Virus durch Zugvögel ausgehe. Das wiederum wird von den Züchtern heftig bezweifelt. Alle in Wermsdorf an H5N1 verendeten Puten wurden im Stall gehalten, damit könne eine Übertragung durch Zugvögel ausgeschlossen werden. Laut Zöller gibt es Experten, die Billigfutter aus Osteuropa für das Auftreten des Virus verantwortlich machen.
Diese Einwände hatte eine Delegation des BDRG Seehofer unlängst in Berlin im persönlichen Gespräch mitgeteilt. Doch die Verbandsvertreter, darunter der Geschäftsführer aus Mönchberg, mussten ernüchtert die Heimreise antreten. Von der Stallpflicht sei der Minister nicht abgerückt; die vom Verband geforderte Schutzimpfung der Tiere habe er abgelehnt - mit der Begründung, krankes von gesundem Geflügel dann nicht unterscheiden zu können.
Auch diese Aussage wird von den Rassegeflügelzüchtern vehement kritisiert. So weist Thomas Zöller darauf hin, dass es längst einen Impfstoff mit Markerqualität gebe, und benennt als Kronzeugen Professor Dr. Theodor Mantel, den Vorsitzenden der Bayerischen Tierärztekammer.
Den Reim, den sich der BDRG auf Seehofers Aussagen macht, ist von brisanter Radikalität: »Der Minister«, so Zöller, »wird von der Geflügelindustrie gesteuert, die die unliebsame Konkurrenz mit ihrer Freilaufhaltung ausschalten will.«
Als Reaktion schlägt der Verband eine härtere Gangart ein. »Pro artgerechte Geflügelauslaufhaltung contra staatlich verordnete Tierquälerei durch die Aufstallungsverordnung«: Unter diesem Leitspruch steht die Demonstration morgen in Berlin.
Dass »verträgliche und in der Regel unpolitische Zeitgenossen«, so Zöller, zu solch resoluten Maßnahmen greifen, liegt an der dramatischen Notlage. Viele Zuchtbetriebe stünden vor dem Ruin - eine Behauptung, die ein Artikel des Westfalen-Blatts mit der Überschrift »Freitod im Geflügelstall« untermauert. Zwei Züchter aus den Landkreisen Paderborn und Bad Salzungen haben sich demnach in ihren Ställen erhängt, weil sie keinen Ausweg aus der Existenzkrise mehr sahen. Ein Mann aus dem Kreis Gütersloh, der sich ebenfalls das Leben nehmen wollte, konnte gerettet werden. Die Zulieferer und die Futterindustrie mit tausenden Beschäftigten bestätigen die Brisanz der Situation. So meldet der Geflügelfutterhersteller Muskator aus Düsseldorf Einbußen von 50 Prozent.
Seit 21. Oktober befinden sich Hühner, Gänse, Enten, Puten, Wachteln, Rebhühner und Fasane im Stall. Nach der neuesten Seehofer-Verordnung müssen sie dort bis zum 15. Mai bleiben. Den BDRG treibt jedoch die »schreckliche Vermutung« um, dass die Ställe nur kurz geöffnet werden. »Ende Mai könnte es damit schon wieder vorbei sein«, argwöhnt Thomas Zöller und sieht eine »Katastrophe« heraufziehen.
Die Nachzucht ist in diesem Jahr um über 40 Prozent zurückgegangen. Vor allem Wassergeflügel ist betroffen, weil Enten und Gänse sich im Wasser befruchten. 50 Arten würden aussterben, wenn die Stallpflicht länger dauert oder von neuem angeordnet wird.
Auch sind die Züchter auf ihre Ausstellungen angewiesen. Geflügelzuchtvereine wie die in Sulzbach und Mönchberg haben teure Anlagen gebaut. Die Investitionen müssten refinanziert werden, und auch Geld für die Unterhaltung und die Jugendarbeit werde dringend benötigt.
Sehr viele Züchter denken ans Aufhören.
Thomas Zöller, Geschäftsführer des BDRG
Kükenschauen und Hähnchenfeste waren zudem wichtig für das Image der oft belächelten Tierfreunde. Mittlerweile hätten viele Menschen Berührungsängste - auch das laut Zöller ein »Verdienst« Seehofers, der dazu aufgefordert habe, sich vom Geflügel fernzuhalten. »Sehr viele Züchter denken ans Aufhören.«
Dass H5N1 in Europa auch nur ein einziges Todesopfer fordern wird, glaubt der Mönchberger nicht. Den Tod von 300 Menschen in Asien erklärt er damit, »dass diese dort ständig in engem Kontakt mit Geflügel lebten«. Die Maßnahmen gegen die Vogelgrippe in Deutschland wertet er als Panikmache - mit einem schönen Nebeneffekt für die Pharmaindustrie: »Die Geschäfte mit dem Medikament Tamiflu laufen glänzend.«
Text und Foto: Manfred Weiß
Quelle: Main-Echo
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