Hein, ich denke, dass du das Verhalten unserer domestizierten Haustiere nicht mit dem der Wildtiere vergleichen kannst. Sie entwickeln mit der Zeit Eigenarten, die zu einem Wildtier nicht passen. Vor allem dann, wenn man intensiv mit ihnen zusammen lebt.
Natürlich verhalten sie sich überwiegend ihrer Art gemäß und haben, je nach Tierart, noch vieles drauf, was die Wildform auszeichnet. Aber, in dem Moment, in dem sie bei und mit Menschen aufwachsen, besteht die Möglichkeit, dass Tiere, die im Ursprung in einem sozialen Verband leben, vom Menschen lernen.
Oder denkst du, dass ein Hahn, der wild aufwächst, zum Menschen auf den Schoß krabbelt, um sich den Bauch kraulen zu lassen?
Mein Krüperhahn, der bei mir in der Küche geschlüpft ist, aber schon! Zuerst dachte ich, es wäre nur, weil er noch so jung war, dass es wie hudern für ihn ist. Nachdem er schon 5 Monate alt war, machte er es aber immer noch - sogar noch intensiver, als vorher! Er krabbelte auf den Schoß, legte sich total entspannt auf die Seite oder sogar auf den Rücken und ließ sich die Bauchfedern durch kraulen
Der Hahn, der seinem Huhn in den Tod gefolgt ist, war, wie gesagt, als Einzelküken groß geworden und hat in den ersten drei Monaten nur Kontakt zu Menschen gehabt. Später hat er die Henne dazu bekommen, mit der er etwa ein Jahr zusammen lebte.
Dann kam er auf einen Hof mit ca 20 Hennen, bei denen er sich mehrere Jahre bester Gesundheit erfreute, gemeinsam mit seiner Henne. Hier blieben alle Hühner immer bis sie von selbst starben. Erst, als seine Lieblingshenne dann nach Jahren starb, hat er so reagiert und war sehr bald nach ihr tot. Außer den beiden sind zeitnah keine anderen Hühner gestorben. Die beiden zählten inzwischen zu den ältesten. Ich weiß das deshalb ziemlich sicher, weil ich mit den Kindern der Familie befreundet war und dort öfters zu Besuch.
Als ich Nachricht von Emmas und Moritzens Tod bekam, war ich nicht unbedingt erstaunt, weil ich diese besondere Beziehung der beiden ja kannte.
Das Verlustempfinden, was manche Tiere deutlich zeigen, lässt sich nicht einfach mit Angst erklären. Das Verhalten ist ganz anders. Angst zeigt sich in der Regel durch unsicheres Verhalten und nicht durch reduzierte Nahrungsaufnahme, Rumliegen und ganz im Allgemeinen reduziertes Verhalten.
Tiere, die es nicht gewohnt sind, ihren Lebensunterhalt und ihr Dasein selbst zu bestreiten, zeigen in der Regel auch das dazu notwendige Verhalten nur eingeschränkt oder gar nicht. Daher "denken" Hund und Katze, die in menschlicher Obhut mit allem versorgt werden, auch nicht so, wie du es ausführst
Sie reagieren auf das, was sie gerade beeinflusst oder einschränkt. In dem Falle der Verlust des Gefährten. Und zwar, weil er fehlt und das Unwohlsein hervorruft.
Wenn dir etwas fehlt, was dir immer Freude und Wohlergehen bedeutet hat, vermisst du es auch.
Wenn es noch dazu dein Freund oder Partner ist, dann empfindest du den Verlust sehr stark. Überleg mal, woran man das als Außenstehender erkennen könnte, wenn du dich nicht mit Sprache ausdrücken könntest und auch nicht durch Tränen.
Denkst du nicht, dass deine Körpersprache ähnlich wäre, wie die eines Tieres? Lustlos, reduziert und offenbar traurig.
Wieso in aller Welt sprechen wir Tieren Trauer ab, wenn sie sich nach dem Verlust eines besonders vertrauten Partners genau so verhalten??
Weshalb versuchen wir krampfhaft alles mit "niederen" Instinkten zu erklären?
Weil wir uns sonst vielleicht fragen müssten, ob wir unseren Umgang mit einem mitfühlenden, -leidenden Wesen doch mal scharf überdenken sollten?
LG Silvia
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