Fragen und Antworten zur
Impfung bei Geflügelpest

(Friedrich-Loeffler-Institut, Stand 14.10.2005)


1. Ist eine Impfung des Haus- und Nutzgeflügels gegen Vogelgrippe sinnvoll?

Die Impfung gegen Geflügelpest kann eine Infektion des geimpften Tieres nicht verhindern, führt aber zu einer weitgehenden Verhinderung der Krankheitssymptome und zu einer Reduktion der Virusausscheidung nach einer Infektion. Geimpfte Tiere sind aber weiterhin durch aviäres Influenzavirus infizierbar, wenn auch die für eine erfolgreiche Infektion notwendigen Virusmengen deutlich erhöht sind. Generell kann durch eine Impfung eine Infektion aber nicht verhindert werden und es ist auch nicht möglich, allein durch Impfung ein laufendes Seuchengeschehen zu eliminieren. Impfung kann daher nur in Kombination mit Keulung (stamping out) zur Tierseuchenbekämpfung eingesetzt werden. Anzumerken ist, dass die Impfung bei Puten generell deutlich weniger wirksam ist als bei Hühnervögeln.


2. Wie ist der Erfolg einer Impfung einzuschätzen?
Der Erfolg einer Impfung in einem laufenden Seuchengeschehen ist kritisch zu betrachten. In Norditalien wird nach umfangreichen Seuchenzügen mit Billigung der EU seit fünf Jahren gegen gering pathogenes Influenzavirus vom Subtyp H5 und H7 geimpft, wobei derzeit ein bivalenter Impfstoff aus den Viren H5N9 und H7N1 verwendet wird. Dennoch hat Italien immer wieder Ausbrüche von aviärer Influenza im Impfgebiet. Auch in Indonesien ist es durch Einsatz der Impfung nicht gelungen, die Seuche einzudämmen. Es müssen immer begleitende Maßnahmen wie die Tötung infektionsverdächtiger Tiere hinzukommen.


3. Welche Impfstoffe stehen derzeit zur Verfügung?

Zur Impfung stehen inaktivierte Vollvirusimpfstoffe verschiedener Subtypen zur Verfügung. Innerhalb der Gruppe der H5-Viren scheint es (noch) eine belastbare Kreuzimmunität zu geben, so dass z.B. in Asien mit Impfstoffen des Typs H5N2 gegen die H5N1-Epidemie geimpft wird. Diese Impfstoffe werden in Europa von den Firmen Intervet (Boxmeer, Niederlande) und Merial (Lyon, Frankreich) hergestellt und derzeit auch in Asien in beträchtlichem Umfang eingesetzt. Daneben gibt es einen Vektorimpfstoff auf der Basis eines rekombinanten Geflügelpocken (Fowlpox) Virus, der in China und in Mexiko in geringerem Umfang eingesetzt wird. Alle Impfstoffe müssen individuell jedem Tier verabreicht werden.


4. Warum wird nicht europaweit geimpft?
Gegenwärtig ist in der EU kein Impfstoff gegen Geflügelpest zugelassen. Die in anderen Ländern zugelassenen Impfstoffe sind nicht für exotische Rassen (Zoovögel) validiert, so dass über deren Wirksamkeit bei anderen Spezies als Nutzgeflügel nur bruchstückhaft Informationen vorliegen. Nach Einsatz des Impfstoffes in Zoos in den Niederlanden während der Epidemie 2003 wurde festgestellt, dass die Impfung nicht in allen Vogelarten zu einem als schützend zu bewertenden Antikörpertiter geführt hat. Damit ergibt sich die epidemiologisch höchst ungünstige Situation einer Population aus geschützten Tieren (die aber trotzdem infiziert sein können) und nicht geschützten Tieren. Dies ist die ideale Ausgangssituation für eine Persistenz des Feldvirus in dieser Population über längere Zeit. Bevor Restriktionen aufgehoben werden können. ist es daher notwendig, die Abwesenheit von Feldvirus in diesen Populationen nachzuweisen.

Gleiches gilt auch für Geflügel: jedes geimpfte Tier ist als potentieller Feldvirusträger anzusehen, worauf auch die Notimpfungsstrategie der EU, d.h. Impfung, um die Seuchenausbreitung zu hemmen, aber danach Keulung, um das Virus zu eliminieren, abzielt. Generell ist anzumerken, dass der beste Schutz der Bevölkerung vor dem Geflügelpestvirus in einer Geflügelpestvirus-freien Geflügelpopulation besteht.

Diesem Ziel dienen die festgelegten Tierseuchenbekämpfungs-Maßnahmen. In einer ungeimpften Population wird der Eintrag gerade eines hochpathogenen Virus schnell bemerkt (die Tiere sterben im Regelfall in 24-48h) und es können die notwendigen Sanierungsmassnahmen kurzfristig eingeleitet werden. Im Falle einer geimpften Population kann ein Viruseintrag nur mit großem diagnostischen Aufwand bemerkt werden. Es müssten dazu ungeimpfte 'Sentinel-Tiere' in jeden Bestand gestellt werden und diese dann regelmäßig untersucht werden. Dieses Verfahren wird in Italien angewendet, hat aber bisher nicht zur Virusfreiheit Italiens geführt. Daher kann es zu einer schleichenden Weiterverbreitung des hochpathogenen Virus in geimpften Populationen kommen und das Virus sich damit festsetzen. Hier bleibt neben dem fraglichen Erfolg in der Tierseuchenbekämpfung auf längere Zeit eine Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung bestehen, sofern es sich um potentiell humanpathogene Geflügelpestviren (H5N1, H7N7) handelt.


5. In Asien wird geimpft - wie sind die dortigen Erfahrungen?

Auch die Erfahrungen aus Südostasien zeigen, dass eine prophylaktische Impfung, die nicht durch weitere veterinärhygienische Maßnahmen begleitet ist, keinen Erfolg zeigt. So hat Indonesien voll auf die Impfstrategie gesetzt. Nach den in der letzten Zeit gerade in Indonesien zunehmenden Infektions- und Todesfällen bei Menschen ist die Regierung nun dazu übergegangen, flankierende Keulungsmaßnahmen in großem Umfang durchzuführen. In China und Vietnam werden neben einer intensiven Impfkampagne in großem Umfang begleitende Tötungsmaßnahmen durchgeführt. Dies ist in der dort vorhandenen endemischen Situation die beste Möglichkeit, die Seuche zunächst einmal zum Stehen zu bringen.


6. Wie sollte man in Ländern vorgehen, in denen das Virus bis jetzt nicht aufgetreten ist?

Für eine seuchenfreie Region wie Deutschland gilt es nach wie vor, das Virus aus den Geflügelbeständen herauszuhalten. Dies gelingt am effektivsten durch eine erhöhte Wachsamkeit, wie der Fall Viersen vor zwei Jahren gezeigt hat. Die Geflügelpestverordnung schreibt vor, dass bei erhöhter Sterblichkeit in Geflügelhaltungen zwingend auf das Vorhandensein von aviärer Influenza zu untersuchen ist. Eine solche erhöhte Sterblichkeit merkt der Geflügelhalter als Erster und an ihm liegt es dann auch, die Behörden zu alarmieren.


7. Könnten Impfungen zu einer Veränderung des Virus führen?

Unter Experten wird noch kontrovers diskutiert, inwieweit die Impfung letztlich auch zu einer Verschlimmerung der Situation führen kann, weil sich das Virus in einer geimpften Population sehr schnell verändert. Dies reflektiert z.B. die jedes Jahr anzupassende Grippeschutzimpfung des Menschen. Bisher ist eine solche antigene Drift bei Geflügelpestviren der Subtypen H5 und H7 nur in geringem Maße aufgetreten.


8. Wann sollten in Europa Impfungen erfolgen?

Vorstellbar und sinnvoll ist ein Impfstoffeinsatz beim Geflügel unter europäischen Bedingungen, falls ein bereits erfolgter Seucheneintrag nicht schnell genug erkannt und eliminiert werden kann und die Seuche daher droht, außer Kontrolle zu geraten. Hier können, ebenso wie z.B. bei MKS, Suppressions-, Ring- und Notimpfungen durchgeführt werden, um die Seuchenbekämpfung zu unterstützen. In jedem Fall ist danach aber das geimpfte Geflügel als potentiell infiziert anzusehen, solange es keine praktisch durchführbare Markerdifferenzierung gibt. An Impfstoffen, die eine Unterscheidung zwischen geimpften und infizierten Tieren erlauben und schnell und einfach auch an große Tierzahlen in Geflügelhaltungen appliziert werden können, wird am FLI intensiv geforscht.

Text des ...
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Friedrich-Loeffler-Institut Riems