Auch auf den Verdacht hin dass ich wieder mal eine auf den Kopp bekomme:

Ich bin eine reitende Hähnehalterin! So, jetzt ist es raus.

Ich bin auf dem Land (Dorf mit +/- 200 Einwohnern) groß geworden. Die Hunde und Katzen liefen frei, die Kühe wurden über die Straße auf die Weide getrieben (manchmal auch, durch Zufall, durch Nachbars Garten) es wurden Hühner und Hähne gehalten, es wurde Mist gefahren und es wurde auch geritten. Kinder spielten auf der Straße oder auch im Hühnerstall oder auf der Kuhkoppel und ich weiß noch ganz genau wie meine Mutter sich immer vor die Haustür gestellt hat und Laut „MIIIITTAG“ gerufen hat. Egal war wir uns befanden, wir mussten den Ruf nicht hören, trotzdem wurden wir informiert und waren meistens pünktlich am Tisch.

Die Haustüren waren stets offen und wer etwas wollte lief laut rufend durchs Haus.

Es gab kein Gemecker und auch wenn die Kühe durch den Garten getrampelt sind, wurde darüber gesprochen und der Schade ersetzt. Es musste kein Anwalt und kein Gericht bemüht werden.

DAS LEBEN WAR SCHÖN!!!

Dann sind Leute aus der Stadt, wegen der ländlichen Ruhe und Idylle, eingefallen. Auf einmal gab es Verordnungen. In dem Dorf in dem ich aufgewachsen bin wussten die „Alten“ damit umzugehen.

Heute lebe ich immer noch auf dem Land, allerdings in einem viel größerem Dorf (550 Einwohner). Mein Nachbar ist aus der Stadt auf Dorf gezogen, wegen der Ruhe. Aber nun ist das ständig Lärm: Die Bauern halten sich in der Erntezeit nicht mal an die Mittagstunde und fahren schon vor 7 Uhr mit ihren Treckern durch die Gegend, und das Sägewerk, ständig kreischt die Säge. Dann der Pfau und der Esel, die auf einem Hof leben, der ca. Luftlinie 800m entfernt liegt. Und dann auch noch ich: ständig mit irgendwelchen lauten Geräten auf dem Grundstück unterwegs, und dann auch noch Olli.

Und wegen Olli haben wir uns dann auch über den Zaun weg gefetzt. Seinen Garten kriegt der gute Mann nicht auf die Reihe, der Giersch wächst fröhlich von seinem Grundstück zu mir rüber; ist ja Natur. Und ich habe auch nie was gesagt. Aber dann hat er sich über Olli beschwert und der ganz Frust und Druck hat sich gelöst und ich habe ihn einen korintenkackenden Prinzipienreiter genannt, ihm alle seine Verfehlungen aufgezeigt und ihm prophezeit, das ich für Olli bis nach Karlsruhe gehe. So, das war im letzten Sommer.

Seit dem Frühjahr versuchen wir uns wieder vorsichtig anzunähern. Olli bleibt bis 7 Uhr im Stall, auch wenn das Klima im Sommer dadurch unerträglich wird und sich Milben ohne Ende vermehren werden. Ich halte mich weiterhin an die Mittagsruhe und werde am Sonntag die Arbeit im Garten ruhen lassen, damit der arme Mann sich nicht belästigt fühlt.
Ansonsten guten Tag und guten Weg.

Und ich reite zwar, aber ich sitze nicht auf dem hohen Ross und wenn mein Pferd kackt macht es das auf den Grasstreifen oder am Straßenrand, von dem ich es dann mit einem Besen auf den Grasstreifen fege, wenn ich mein Pferd in den Stall gebracht habe.

Nichts desto Trotz muss ich doch über die Leute lachen, die sich tolle Geländewagen kaufen und sich dann beschweren, wenn sie mal durch ein Kackehaufen fahren müssen.

Was ich sagen möchte ist, dass die Gesellschaft einfach immer engstirniger und egoistischer wird. Nur noch Regeln und Vorschriften und Verordnungen, Anwälte und Gerichte.

Geredet wird nicht mehr, oder sagen wir besser zugehört wird nicht mehr, und es wird nur noch mit den Finger auf andere Leute gezeigt. Der Dreck vor der eigenen Tür wird aber schnell unter den Teppich gekehrt.

Tolle Welt, tolles Miteinander und ich bin froh dass mein Leben schon zur Hälfte rum ist, denn wie das noch weiter gehen soll ist mir ein Rätsel.