THEMA DES TAGES
14. Oktober 2005, 18:14
Vogelgrippe an der Schwelle Europas
Brüssel (dpa) - In Rumänien gibt es einen zweiten Vogelgrippe-Herd. Wie im ersten Fall war auch im nun betroffenen Donaudelta-Ort Maliuc jedoch noch unklar, ob es sich um den hochgefährlichen Subtyp H5N1 handelt. Die Europäische Union erwartete Testergebnisse des ersten Ausbruchs in Rumänien für Samstag.
Die EU-Kommission plante zunächst kein generelles Freilaufverbot von Geflügel zur Abwehr der Vogelgrippe. Die Mitgliedstaaten sollen relativ viel Entscheidungsspielraum bekommen, sagte ein EU-Kommissionssprecher in Brüssel. Die Bundesregierung forderte die Bundesländer auf, anhand der EU-Kriterien Freilaufverbote für Geflügel vorzubereiten. Das Ziel sei es, direkten und indirekten Kontakt von Haus- und Wildgeflügel zu vermeiden.
In Rumänien wurde das Dorf Maliuc und ein drei Kilometer großes Gebiet völlig von der Außenwelt abgeschottet, wie das das rumänische Landwirtschaftsministerium mitteilte. Das gesamte Geflügel soll notgeschlachtet werden. In Proben von einem dort verendeten Huhn und einem Schwan habe ein Labor in Bukarest das Grippevirus H5 isoliert. Die Proben seien den verendeten Vögeln am vergangenen Sonntag und Montag entnommen worden. In Rumänien war bereits vor einigen Tagen im Dorf Ceamurlia de Jos im Süden des Donaudeltas ein H5-Virus entdeckt worden.
Türkische Behörden gaben für das Dorf Kiziksa im asiatischen Teil des Landes unterdessen Entwarnung. Der Geflügelbestand von rund 8500 Tieren sei vernichtet worden, nachdem dort das auch für den Menschen gefährliche Virus H5N1 nachgewiesen worden war.
In Berlin will der Agrarausschuss des Bundestags am Montag in einer Sondersitzung über den Schutz vor der Vogelgrippe diskutieren. In Deutschland müsse selbst für den Fall, dass die Vogelgrippe-Viren aus Rumänien dem für Menschen gefährlichen Subtyp H5N1 angehören, die Krisenvorbeugung aber nicht verstärkt werden, sagte ein Sprecher von Bundesverbraucherminister Jürgen Trittin (Grüne) in Berlin. Die Bundesregierung sei bereits von einem möglichen «worst case» ausgegangen.
Der nationale Krisenstab von Bund und Ländern hatte sich am Mittwoch auf bessere Kontrollen an Flughäfen, an den Autobahnen und an den Grenzen verständigt. Kiloweise waren illegale Fleischeinfuhren festgestellt worden. An einigen Flughäfen Deutschlands wurden am Freitag die Einfuhrkontrollen deutlich verschärft.
Die 25 Mitgliedsländer der EU sollen beim Bemühen, Zuchtgeflügel nicht mit Zugvögeln in Berührung kommen zu lassen, relativ viel Entscheidungsspielraum erhalten, sagte ein EU-Kommissionssprecher. Zwar werde es gemeinsame Kriterien für die Definition von «Gefahrengebieten» geben, in denen Maßnahmen zur Verhinderung einer Virus-Übertragung ergriffen werden müssten. Die einzelnen Regierungen müssten jedoch selbst entscheiden, welche Rastgebiete der Zugvögel unter diese Kriterien fielen.
Diese Entscheidung will die Bundesregierung den Ländern überlassen. Sie sollten rasch Risikozonen für eine Übertragungsgefahr der Vogelgrippe durch Zugvögel bestimmen, sagte der Staatssekretär im Bundesverbraucherschutzministerium, Alexander Müller. Dort sollten sie Maßnahmen zu Freilaufverboten für Geflügel vorbereiten. Alle, die solche Verbote fordern, könnten jetzt in ihren Bundesländern handeln, «ja, sie haben die Pflicht zu Handeln.» Die von der EU aufgestellten Bewertungsmaßstäbe bezögen die Flugrouten von Zugvögeln, das Vorkommen von Gewässern und die Art und Dichte der Geflügelhaltung ein, sagte Müller. Außerdem sollten in Risikogebieten Gänse und Enten einerseits sowie Hühner andererseits möglichst getrennt gehalten werden.
Je nach Lage sei es auch ausreichend, beispielsweise freilaufendes Geflügel durch Netze vor einfliegenden Zugvögeln zu schützen, hieß es von der EU. In anderen Fällen genüge es wohl, die Fütterung in geschlossene Räume zu verlegen. Die EU-Kommission hat bereits ein Importverbot für Geflügel und Geflügelprodukte aus Rumänien und der Türkei erlassen. Frankreich will 600 Millionen Schutzmasken kaufen, um der Seuchengefahr durch Krankheiten wie der Vogelgrippe zu begegnen.
In Asien sieht die WHO den Kampf gegen das Vogelgrippevirus H5N1 weitgehend verloren. «Alle Versuche, sie in Südostasien auszumerzen und unter Kontrolle zu bringen, sind fehlgeschlagen», sagte der WHO- Direktor für die Region West-Pazifik, Shigeru Omi, in der philippinischen Hauptstadt Manila. «Ihre Ausbreitung ist nun gewaltig und reicht von Südostasien bis hin an die Türschwelle Europas.» Das Virus könne auch nach Deutschland kommen. Die Wahrscheinlichkeit spreche dagegen, dass das Virus vor den Grenzen Halt mache, sagte Klaus Stöhr, Leiter des WHO-Influenza-Programms, dem Deutschlandfunk. Ob Geflügel generell eingesperrt werden solle, sagte Stöhr nicht.
Einen (fiktiven) Ausblick auf einen möglichen Vogelgrippe-Ausbruch in Europa könnte der zweiteilige französische Thriller «Virus im Paradies» aus dem Jahr 2003 geben. Er wird erstmals vom WDR-Fernsehen an diesem Dienstag (22.10 Uhr) und Freitag (22.00 Uhr) ausgestrahlt.
Ich denke ernsthaft das dieser Film nur zur Panikverstärkung beitragen wird!
gg
Lesezeichen