Wie das Leben so spielt, schreibt es die seltsamsten Geschichten. Hier ist eine davon, nämlich meine:

Ich habe noch keinen Namen, da es bis jetzt noch nicht sicher ist, dass ich auch überleben werde...sagt die Menschenfrau, aber ich bin da recht zuversichtlich.

Meine Mama saß ganze 21 Tage auf wunderschönen Eier, betreute sie liebevoll und wartete geduldig auf den Schlupf. Am 21. Tag schlüpften auch 3 meiner Geschwister, gelb und quicklebendig. Eines ließ sich noch einen Tag länger Zeit, nur ich hatte noch gar keine Lust. Meine Mama hatte mich wohl aus Versehen zwischendurch etwas auskühlen lassen und so hatte ich noch keine Lust auf die Welt.
Nach 2 Tagen bei 32 Grad Hitze musste meine Mama mit meinen Geschwistern nun doch raus und ihnen Wasser und Futter zeigen. Es war auch höchste Zeit. Ich hatte derweil ein Loch in meine Schale gepickt, aber davon war ich sehr erschöpft und schlief wieder ein. Mama war dann auch noch etwas unvorsichtig herumgetrampelt beim Rausgehen und hatte meine Schale zum größten Teil zerbrochen und abgebröselt. Trotz der Hitze wurde mir langsam kalt. Nach 2 Stunden kam eine Menschenfrau vorbei, sah die Bescherung und nahm mich aus dem Nest. Sie sah sehr besorgt aus und beratschlagte mit einem Menschenmann, was nun zu tun sei. Sie begutachtete mich und fand, dass es einen Versuch mit der Rotlichlampe wert wäre, ich müsste ja gleich schlüpfen.
Also kam ich auf ein Handtuch und in eine Schüssel, darunter ein Wärmepad und von oben die rote Lampe. Nach ein paar Stunden schaute sie nach, aber ich hatte mich nicht gerührt. Luft bekam ich durch das Loch in der Eihaut, aber die Feuchtigkeit reichte nicht, da die Schale ja weg war. Also bedeckte sie mich mit so etwas kleinem hellen, Papier genannt, das sie dann nass machte. Ihhh, war das kalt... da habe ich laut gepiepst, dass sie damit aufhört. Leider machte sie das nun alle Stunde...und immer wieder beschwerte ich mich. Am Abend nahm sie das Papier weg und stellte erschrocken fest, dass ich wohl doch noch gar nicht schlupfreif gewesen war, mein Dotter wäre ja noch gar nicht eingezogen! Das hatte sie vorher durch die trockene fast undurchsichtige Eihaut nicht gesehen.
Tja, nun war guter Rat teuer. Schließlich konnte sie ja nicht die ganze Nacht und die nächsten Tage ständig Wasser über mich sprühen, da sie auch arbeiten musste. Für die Nacht bekam ich erst mal eine Plastiktüte über meine Schüssel, wurde noch mal besprüht und dann ging sie schlafen. Ich schlief auch, bei 38 Grad und genug Feuchtigkeit fühlte ich mich wohl. Am nächsten Morgen schaute sie in meine Schüssel und staunte: ich hatte gerade begonnen, mich zu recken. Leider war die Eihaut über meinem Kopf so fest, dass ich sie nicht wegbekam. Was für eine missliche Lage.
Da hat sie sie vorsichtig weggezogen. Endlich – ich konnte mich auf den Bauch drehen und erst mal strecken. So blieb ich erschöpft eine Stunde liegen. Dann kam sie wieder vorbei, nahm mich raus (welch schön warme Hand, so richtig zum reinkuscheln) und bearbeitete mich mit einem langen Stiel mit Haaren dran – sie nannte es Zahnbürste, dabei habe ich doch gar keine Zähne. Nach einer Weile wurden meine verklebten Federn schön locker und ich fror nicht mehr so. Sie setze mich wieder in die Schüssel und ich schlief sofort erschöpft ein. Alle Stunde kam sie nun vorbei, weckte mich, damit ich mich bewegte und am Mittag konnte ich schon selbstständig stehen und erklettert jedes Mal ihre Hand, wenn sie sie rein hielt. Herrlich warm war das dann.
Ja und dann wurde es spannend: ich wurde vom Menschenmann herausgeholt, nach draußen in die Kälte gebracht, brrr, 24 Grad, welch Unterschied zum Rotlicht.
Ich piepste empört. Dann wurde ich auch noch auf den kalten Boden gesetzt, um mich herum lange Halme, fast unüberwindlich. Aber was war das? Dort hinten sah ich etwas großes Schwarzes. Es machte freundliche Laute und ich begann, dorthin zu krabbeln. Es war sehr mühsam, ich musste oft kurz pausieren, aber dann war ich da. Es war ein großer Berg Federn, wow, meine Mama... Und sie schaute mich knuckernd an. JA, hier war ich richtig. Gleich kroch ich unter ihren Bauch, hörte ihre zufriedenen Laute und schlief ein. Nach einer halben Stunde stand sie auf und ich sah meine Geschwister. Sie waren schon deutlich größer und schneller, aber alle waren nett zu mir. Eine kurze Runde durch das Gehege und dann ging es zur Nacht ins Nest. Das war noch mal eine große Herausforderung, da ich ja noch nicht so geübt darin war, aber ich habe es ganz allein geschafft!

Und heute morgen schaute die Menschenfrau sehr glücklich aus, als sie mich mit herauskommen sah.... Sie sagte so was wie: Na, kleiner Kämpfer, es hat sich also doch gelohnt, dich aufzupäppeln. Was sie damit wohl gemeint hat?
Auf jeden Fall scheine ich jetzt doch einen Namen zu bekommen... Und meine Mama hat die Berechtigung auf Gnadenbrot erworben, hat sie gesagt. Weil sie so fürsorglich sei. Letzteres kann ich nur bestätigen..