Ich hatte gestern ein interessantes Gespräch, das vielleicht auch den einen oder anderen von euch interessieren wird. Das kam so: Ich hatte vor zwei Wochen eine Mail an einen von mir geschätzten Hersteller von Hühnerfutter geschrieben. Darin hatte ich freundlich gebeten, ob sie neben ihren ganzen Alleinfuttern mit verschiedenen Zusätzen, die alle einen RP von 17% haben, nicht auch ein Alleinfutter für Zweinutzungshühner / Rassehühner herausbringen könnten, die nicht so eine hohe Legeleistung haben. Mit um ca. 15% RP und 5-6 % RF.
Ich bekam daraufhin eine ausgesprochen nette E-Mail, in der sie sich für meinen Vorschlag bedankten, bestätigten, dass so ein speziell auf Zweinutzungshühner zugeschnittenes Futter wichtig sein könnte und sagten, dass ihr Geschäftsführer deswegen gern mit mir telefonieren würde. In dem Gespräch sagte er mir, dass sie sehr gern ein solches Futter herausbringen würden. Hobbyhalter von Rassehühnern seien ihre Zielgruppe, ihr Futter würde ausschließlich von diesen gekauft. Tatsächlich enthielten übliche Alleinfutter deutlich zu viel Rohprotein und eine viel zu hohe Vitaminisierung für Rassehühner mit mittlerer Legeleistung, was nachweislich den Stoffwechsel belaste und Folgeschäden und Ballenabszesse begünstige. Er würde daher sehr gern ein auf die Bedürfnisse von Rassehühnern angepasstes AF herstellen, aber er dürfe es leider nicht, ihm seien die Hände gebunden.
Es gebe eine Regierungsverordnung für Hochleistungstiere, die ihm vorschreibe, welche Werte ein AF für Legehennen enthalten müsse. Eigentlich wäre es besser, wenn Rassehühner unter die Verordnung für Heimtierfutter fallen würden, das sei aber leider nicht so. Sie würden durch das Gesetz mit Hochleistungshybriden in einen Topf geworfen, die aber eine ganze andere Fütterung bräuchten. So wie ein Hochleistungssportler auch eine andere Nahrung bräuchte als ein Durchschnittsmensch.
In seinem Bundesland werde die Einhaltung der Verordnung vom Regierungspräsidium überwacht, das jeden Monat einen Prüfer in seinen Betrieb schicke.
Die Verordnung schreibe z.B. vor, dass ein AF für Legehennen 10.000 i.E. Vit. A und 2.000-2.500 i.E. Vit. D enthalten müsse, obwohl Rassehühner nur 4.000-5.000 i.E. Vit. A und 500-1.000 i.E. Vit. D bräuchten. Die Vitamine seien in dieser Konzentration dann auch schon in den Vormischungen mit Vitaminen und Spurenelementen enthalten, die von anderen Herstellern produziert werden. Die Werte, die den Herstellern von Geflügelfutter vorgeschrieben würden, führten dazu, dass die Rassehühner in Deutschland in privaten Haltungen, so wörtlich, massiv mit Eiweiß und Vitaminen überfüttert seien.
Das Problem sei bekannt, er stehe dazu auch mit anderen Herstellern in Austausch.

Ich sagte ihm, es gäbe aber doch vereinzelt Futter, das geringere RP-Gehalte oder Vitaminisierungen hätte. Er sagte, das stimme, weil nicht in allen Bundesländern so streng kontrolliert würde wie bei ihnen, es sei aber die Ausnahme, weil so eigentlich die Bestimmungen seien. Teilweise würde auch Hühnerfutter mit niedrigeren Dosierungen angeboten (auch von ihnen), bei denen AF Pellets bereits mit Körnerfutter vermischt sind. Das läuft dann unter Namen wie "Geflügelfuttermix", "Hühnermüsli" oder „Gartenhühner“, darf aber wegen der gesetzlichen Bestimmungen nicht Alleinfutter heißen.

Er empfahl mir dann, ihre Alleinfutterpellets 50:50 mit Körnerfutter zu strecken. Das sei für die Hühner besser. Ihre Firma würde extra auf ausreichend Kalzium etc. achten, damit das für den Kunden problemlos möglich sei. Ich sagte, dass dafür aber dann ein Rohfettgehalt von 3,4-4% zu niedrig sei, wenn der noch mit Körnern verdünnt würde. Der sei ja so schon niedriger, als es für Legehennenfütterung empfohlen werde. Der Lohmann-Konzern empfiehlt z.B. 5%-7,5% RF, um ein Fettlebersyndrom zu vermeiden (weil sonst die Leber das vom Hühnerkörper benötigte Fett aus Kohlenhydraten herstellen muss) (Quelle: https://lohmann-breeders.com/de/rohf...nenernaehrung/).
Er stimmte mir zu, dass ein höherer Fettgehalt für den Hühnerkörper gesünder sei. Für den Hersteller sei daran schwierig, dass das Legemehl dann durch die Papiersäcke fetten würde und der ME schwieriger zu regulieren sei. Dennoch hätte ihre Firma das Thema gerade neu diskutiert und sich entschlossen, den RF in ihrem AF auf 5% anzuheben, indem sie statt Sojaextraktionsschrot nun Vollfettsoja verwenden, das auch ernährungsphysiologisch wertvoller sei.

Das Gespräch ließ mich verblüfft und nachdenklich zurück. Ich hatte vorher zwar schon mal gehört, dass Alleinfutter sich irgendwie an den Werten für Lohmann Legehybriden orientiert. Ich kannte auch schon eine Tabelle, wo die Empfehlungen für Vitamin- und Mineralstoffgehalte von der GfE (Gesellschaft zur Ernährungsphysiologie) und der Lohmann Tierzucht gegenübergestellt werden, die wirklich stark voneinander abweichen. (Quelle: Legehennenfütterung: Einsatz heimischer Futtermittel und Fütterung schnabel-unkupierter Legehennen. Ruben Schreiter, 2017, S. 24, Tabelle 9). Die GfE empfiehlt z.B. 3.960 i.E. Vit. A, Lohmann Tierzucht 10.000, bei Vit. D sind es 400 versus 2.500 i.E., um nur diese beiden Beispiele zu nennen. (Bei Interesse kann ich die Tabelle hier gerne einstellen.)

Aber dass Hersteller durch die an Hochleistungshybriden orientierte Gesetzgebung gar kein auf moderat legende Rassehühner zugeschnittenes Alleinfutter, das auch so heißt, herstellen dürfen, das hat mich dann doch überrascht. Auch dass ein Hersteller von Futter für Hobbygeflügel so klar und ehrlich sagt, dass die Vorschriften für AF in Deutschland zu einer Überfütterung von Rassehühnern mit RP und Vitaminen führen.

Für mich war das neu. Hattet ihr das schon gehört? Was meint ihr dazu?