Hier im Forum ist es ja allgemein bekannt das Eier ziemliche Wunderwerke sind, nicht nur für Sich auch in der Küche.
Kochen ist chemisch ziemlich anspruchsvoll. Beim kochen passieren allerlei verrückte Dinge die man als Mensch beim kochen gar nicht unbedingt verstehen muss. Harold McGee hat mit „On Food and Cooking“ eine Art Standardwerk über die chemischen und physikalischen Hintergründe des Kochens geschrieben. Das Buch ist ziemlich dick und im deutschen sehr teuer. Ich habe es mir auf Englisch gekauft und ich finde die Passage zu Huhn & Ei besonders interessant. Daher möchte ich hier mal einiges aus dem Buch mit meinen Worten und Rechtschreibfehlern wiedergeben. Das wird lang, aber vielleichtfindet Ihr es ja auch interessant:
Was ist das Ei?
Eine auf den Prozess der sexuellen Reproduktion spezialisierte Zelle, in der zwei Elternteile Gene zu einem neuen Individuum beisteuern. Vor etwa einer Milliarde Jahren wurden spezialisierte Ei- und Spermazellennotwendig um vielzelligen Organismen den Austausch von DNA zu ermöglichen. (die erste Form der DNA-Vermischung geschah noch im direkten Austausch)
Das Ei nimmt die Spermazelle auf und beherbergt die Vereinigung der zwei Chromosomen-Sätze der Elternteile. Danach teilt es sich und differenziert sich in den Embryo. Außerdem stellt es Nahrung bereit für ersten Stadien des Wachstums. Das ist der Grund warum Eier so Nahrhaft sind, wie auch Milch oder Pflanzensamen sind sie im wahrsten Sinne dazu gemacht Nahrung zu sein und neues Leben zu nähren bis es für sich selbst sorgen kann.
Vom Urvogel zum Huhn und der Triumphzug des Ei in der Küche:
Vor etwa150 Millionen Jahren entwickelte sich das Vogelei als weiterentwickelte Form des Reptilieneis. Mit seiner harten mineralisierten Schale ist es undurchlässig genug das sich der Embryo selbst in den trockensten Habitaten entwickeln kann, außerdem schützt es eine ganze Reihe von antimikrobiellen Verteidigungen. Diese Entwicklung machte das Vogelei zu einem idealen Nahrungsmittel für Menschen, es enthält eine beträchtliche und ausbalancierte Portion tierischer Nährstoffe und ist so gut verpackt das es sich ohne große Mühe über Wochen hält.
Die Gattung Gallus zu der unsere Hühner gehören ist gerade mal 8Millionen Jahre alt und Gallus Gallus selbst gibt es gerade mal für die letzten 3-4 Millionen Jahre. Etwa 7500 vor Christus wurde das Huhn in Südostasien domestiziert, das ist etwa die Zeit in der man größere Hühnerknochen, weit nördlicher als Ihr natürliches Verbreitungsgebiet gelegen ist finden kann. Etwa 1500 vor Christus fand es seinen Weg zu den Sumerern und den Ägyptern von wo aus sie ca. 800 vor Christus in Griechenland landeten. Ab hier wurde Gallus Gallus in Europa zum bedeutendsten Eierlieferanten. Aus den Rezepten von Apicius weiß man das schon Römer Eier gebraten, gekocht, „weich“, als herzhafte Quiche oder süße Speise aßen. Im Mittelalter waren die Franzosen raffinierte Omlett-Köche und die Engländer richteten pochierte Eier mit einer Sauce an, die man später crème anglaise nennen würde. Herzhafte, eigelbbasierte Saucen und formen von aufgeschäumtem Eiweiß kamen in den nächsten3 Jahrhunderten hinzu und um etwa 1900 hatte Escoffier ein Repertoire von über 300 Eier-Rezepten.
Von Bauernhühnern zu unseren modernen Rassen und Hybriden:
Zwischen1850 und 1900 hat das Huhn mehr evolutionäre Veränderung erlebt als in seiner gesamten Existenz als Spezies. Dies geschah unter einemneuen ungewöhnlichen Selektionsdruck durch den Menschen. Eine politische Öffnung zwischen England und China brachte Tiere vorherunbekannter chinesischer Rassen in den Westen. Diese spektakulären Tiere wie Cochin, die so anders waren als die gewöhnlichen Bauernhühner brachten ein Hühnerzucht-Fieber vergleichbar mit der Niederländischen Tulpen-Manie mit sich. Hunderte neue Rassen wurden entwickelt und auch landwirtschaftliche Tiere wurden verbessert. Nur wenige Jahrzehnte nach Ihrer Ankunft aus der Toskana wurden die Weißen Leghorn in den USA zu Spitzenlegern gezüchtet. Versionen des Indischen Kämpfers, einem Abkömmling asiatischer Kämpferrassenwurden zu den besten Fleischhühnern entwickelt. Plymouth Rock und Rhodeländer wurden zu Zweinutzungsrassen. Mit dem Abklingen des Hühner-Fiebers wurden Lege- und Fleischrassen noch dominanter und viel der in den 18hundertern generierten Vielfalt begann zu schwinden. Heute bestehen Leistungstiere in der Regel aus 4Inzuchtlinien und sind in der Hand multinationaler Konzerne.
Mit den Hybriden begann die Massenproduktion:
Im 20tenJahrhundert gliedert sich die Haltung auf dem Bauernhof auf in Brütereien und Fleisch- und Eier-Produktionseinrichtungen. Nun schlüpft das typische Legehuhn in einer Brutmaschine, bekommt eine im Labor optimierte Diät, lebt und legt hinter Draht und mit künstlichem Licht für etwas über ein Jahr und produziert 250-290Eier. Wie sagten Page Smith und Charles Daniel in ihrem „Chicken Book“? „Das Huhn ist nicht länger ein lebhaftes Geschöpf sondern lediglich ein Element in einem industriellen Prozess, dessen Produkt das Ei ist.“
Die mittlerweile erreichte Alltäglichkeit des Eis lässt einen oft vergessen was für ein Wunder es eigentlich ist. Der Reproduktionsaufwand den eine Henne betreibt, schwankt stark je nach Rasse, ist aber in jedem Fall enorm. Ein Leistungstier legt Eier die jeweils ca. 3% ihres Körpergewichts ausmachen und produziert so im ersten Legejahr um das achtfache ihres eigenen Körpergewichts an Eiern. Etwa ein viertel ihres täglichen Energieverbrauchs steckt sie in die Eier-Produktion.
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