Mein wortreiches Herumschweifen wird vielleicht nochmal Verärgerung hervorrufen, aber weil das Thema so interessant ist (und ich mich aus anderen Gründen vor längerer Zeit mal intensiver damit befaßt habe), wage ich einen Erklärungsversuch:
So ganz geradeheraus habe ich das nicht gemeint. Bei der Energieeffizienz / Wirkungsgrad der Federneubildung wird ja ersteinmal nur der Energiegehalt des ersetzten Gefieders mit dem erhöhten Grundumsatz des Vogels verglichen. Also die verlorenen Federn werden z.B. eingesammelt, in einem Kaloriemeter verbrannt, dann weiß man, wieviel Energie im Gefieder drinsteckt. Die so bei ersten Versuchen gefundenen Effizienzwerte waren so überraschend niedrig, daß auch Fehler in der Versuchsausführung als mögliche Erklärung in Erwägung gezogen werden mußten.
Wir sehen hier außerdem schon, daß eine Ausstellungs-Orpington mit Paradebefiederung wohl mehr "Mauserarbeit" zu tun hat, als ein auf Legeleistung selektiertes, für temperierte Hallenhaltung vorgesehenes Legehuhn, bei dem die Befiederung eine nachgeordnete Rolle spielt.
Ob der energetische Gesamtaufwand über die komplette Mauserzeit nun höher oder niedriger ist als beim Eierlegen über eine ebensolange Periode, dazu kann ich kein Urteil abgeben, das würde sicher auch von der Legeleistung, produzierten Eimasse usw. abhängen.
Persönlich halte ich die Mauserzeit für zu riskant und offensichtlich unangenehm fürs Huhn, als daß ich sie ausgerechnet da knapp halten würde. Die Gefahr, daß das Huhn sich eine Erkrankung einfängt oder wegen irgendeiner Unterversorgung mit Gefiederschäden aus der Mauser herauskommt, die es dann ein Jahr lang begleiten, ist mir zu hoch. Auch da werden andere Leute mit tausendmal mehr Expertise und Erfahrung als ich durchaus anderer Meinung sein. Dein Orpizüchter wird für seine Praxis wahrscheinlich gute Gründe haben. Unsere springen sowieso immer in den Futternapf, Bauch leer oder voll.
Mögliche Erklärungen:
# Meßfehler: Unsere 4kg-Orpingtonhenne Platera hatte gestern eine leichte Schißverzögerung (die Mauser steht bei ihr wohl vor der Tür) und hat das am Morgen nachgeholt. Der Haufen, den ich einsammeln durfte, hätte einen 250g-Joghurtbecher gefüllt. Also wenn ein Huhn am Tag 130g frißt und 200g trinkt, kann eine Darmfüllung voll die Waage schon mal ins Schwanken bringen. (Beim Menschen könnte das total bis zu 10kg ausmachen!)
# Während der Mauser werden u.a. die Leber und die Legeorgane zurückentwickelt. Hier auf Seite 2 (=S. 348 ), Table 1, unter "ovary weight" und "oviduct weight" vor und nach der Mauser kann man sehen, daß das schon beim Legeorgan ganz schön viel ist, fast 50% der Ausgangsmasse, oder ca. 44g bei einer eher leichten Henne, die sonstigen damit verbundenen Körperflüssigkeiten und -gewebe möglicherweise gar nicht berücksichtigt: https://www.scielo.br/j/rbca/a/ZL4MK...=en&format=pdf
# (Achtung, völliger Ausschweifer): Hormonelle Effekte?? Wenn ich viel mit dem Rennrad fahre, mehrere Tage hintereinander jeweils mehrere Stunden, und das über mehrere Wochen, komme ich mit dem Essen gar nicht mehr hinterher. 3h Grundlagenausdauertraining macht z.B. 1500-2000Kcal, an so einem Tag müßte ich bei meiner sonstigen recht aktiven Lebensweise ungefähr 4500Kcal essen. Ich sollte also über einen Trainingszyklus von 3 Wochen deutlich abnehmen. Tatsächlich nehme ich zu und bekomme ein Bierbäuchlein, ganz ohne Bier. Dieser Effekt ist nicht nur mir aufgefallen, in der mir bekannten sportwissenschaftlichen Literatur findet sich allerdings dazu nur ein kurzer Satz bei G. Neumann, der von einem "bislang wenig beachteten Phänomen" spricht. Die unerklärliche Körpergewichtszunahme kann bei mir 3-4kg, bei härter trainierenden bis 7kg betragen.
Wenn ich dann eine Pause einlege, könnte ich den Garten ohne Schlauch bewässern. Eventuell stecken dahinter die Ausschüttung großer Mengen des Streßhormons Cortisol, quasi-entzündliche Prozesse, oder schlicht eine Vorhutreaktion des Körpers gegen Wasser- und Substanzverlust.
Frauen wird eine Flüssigkeitseinlagerung im Monatszyklus nicht unbekannt sein.
Ich könnte mir vorstellen, daß bei der starken hormonellen Umstellung einer Henne ähnliches passiert, nicht gleich zu verwechseln mit Fetteinlagerung. Meine Bierplauze verschwindet über die Pausentage jedenfalls trotz gutem Essens wie Butter in der Sonne.
Weil das ganze wie die meisten Körperprozesse ziemlich komplex ist, also der Zugang schwierig, kann man, finde ich, die äußere Erscheinung der Futteraufnahme und -vorlieben, wie z.B. von Relaxo weiter oben beschrieben, nicht außen vorlassen, denn daraus läßt sich, ganz ohne Kalorimetrie, ein Eindruck gewinnen, ob das Huhn lieber "schwer" oder "leicht" frißt, also durchaus auch ob "mehr oder weniger Kalorien".
Nach all dem Herumschweifen lasse ich jetzt noch den Ausschweifer vor dem Herrn, Herrn Professor Römer, zu Wort kommen, bevor 2Rosen auf den nuklearen Knopf drückt:
"Der Standpunkt, daß Geflügel in der Mauser knapp gefüttert werden kann, weil es keinen Ertrag bringe, ist falsch. ... Eher könnte man mit unserem Urlaub vergleichen, wo wir ausspannen, und, wenn es geht, in Ruhe gut essen, um wieder Kräfte zu sammeln." Um ein neues Federkleid zu erzeugen "braucht es Saft und Kraft, braucht Futter."
Bei meiner Herumleserei habe ich übrigens in der ersten Musterbeschreibung für das Lachshuhn etwas Interessantes gefunden - danach galt mal für die Henne: "Gewicht des einjährigen Tieres 2 bis 3 Kilo, des mehrjährigen 3 bis 5 Kilo." Mir wirft das ein etwas anderes Licht auf die Anwendung der im heutigen Rassestandard beschriebenen 2,5-3,25kg. Auch bei meinen Orpingtons achte ich gewichtsmäßig eher auf allgemeine Sportlichkeit und Wohlbefinden. Gerade die sind ja, je nach Farbschlag, keine wirklich uniforme Rasse.
BEOBACHTEN und REAGIEREN, die ganze Theorie interessiert das Huhn selbst letztlich ungefähr so wie die Analysewerte auf dem Futtersack.
Wenn Deine Mauserorpi in ein paar Wochen immer noch "zuviel" wiegt, kannst Du sie ja mal etwas knapper halten.
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