Ich sitze also heute Morgen gemütlich in der warmen Küche, schlürfe glückselig Kaffee, gucke aus dem Fenster, nach hinten raus und denke: Wieso sitzt Balu, mein Brahmajunghahn, mitten im Schnee?



Mache noch ein Foto, dann blitzt es endlich durch meinen Kopf: Wahrscheinlich ein Fuchs bei den Hühnern... Ich spurte sofort durchs Haus, reisse ein Fenster auf und sehe Federn, Blut im Schnee, eine kopflose Molly, auf Molly ein Rothabicht, der Molly rupft. Der Vogel und ich starren uns kurz an, dann schwingt sich der Raubvogel in die Obstbäume davon.

Molly ist eine Junghenne, grosse Brahma mottled, eine meiner Nachwuchshoffnungen. Sie ist kurz vor Legebeginn.

Ich steige subito in Stiefel und Jacke und rase raus, ums Haus und mache mir erst einmal ein Bild. Balu im Schnee, die meisten Hennen im Stall, drei fehlen.

Dann bin ich zu Molly. Als ich bei ihr war, sah ich, dass sie noch atmete. Wie kann die denn ohne Kopf atmen? Ich drehte sie behutsam um und *schwups* war da ihr Kopf, immer noch fest mit dem Hals verbunden. Das war wie Weihnachten. Sie liess den Kopf nicht hängen, atmete durch den Schnabel und guckte mich an. Ich nahm sie hoch und suchte nach Wunden. Ich konnte nur Löcher von den Greifklauen entdecken. Ich hoffe, dass er keine Oegane erwischt hat. Mollys Hals war halb gerupft. Hätte der Habicht schon mit dem Schnabel im Gewebe angefangen zu arbeiten, wäre es vorbei gewesen.

Die Wunden habe ich dann desinfiziert und Molly erstmal in den Stall, in ein Bodennest gesetzt. Sie versuchte bereits wieder aufzustehen, war aber noch wacklig auf den Beinen und setzte sich wieder hin.

Dann habe ich Balu aus dem Schnee evakuiert; den Riesenkerl einfach unter den Arm geklemmt. Holly, Mollys Schwester hatte sich in einem schmalen Graben zuhinterst versteckt. Dort bin ich reingekrochen und habe gerade mal so einen Fuss erwischt. Zack! Rausgezogen. Josephine und Dolly habe ich unter der Bsetzi eingesammelt.

Alle drin, Klappe zu. In nächster Zeit bleiben die Huhns in Stall und Voliere. Sicher so lange Schnee liegt. Auf dem Gelände können sie in Deckung, aber wenn sie nur mehr oder weniger in der Nähe des Stalls stehen, dann sind sie wie auf einem Präsentierteller...

Ich hatte hier noch nie einen Raubvogelangriff, ausser mal ein Sperberweib, dass eine junge Appenzeller Spitzhaube greifen wollte. Die war aber so flink, dass sie locker entwischen konnte. Das Sperberweib habe ich dann fast täglich gesehen, die flog nämlich dauernd einer Spatzenfamilie nach. Passiert ist mit den Hühnern aber nichts mehr.

Jedenfalls bin ich jetzt erst mal froh, dass Molly noch lebt und ich hoffe, dass sie es überlebt.

Nun weiss ich halt nicht, ob der Rothabicht sich hier fest in den Obstbäumen installiert und ich die Huhns gar nicht mehr rauslassen kann. Hier im Dorf hat es mittlerweile ganz viele Hühner. Aber ich bin die einzige, die ihre Tiere täglich rauslässt. Da hat sich der Vogel wahrschinlich gedacht: Wie praktisch!

Ich hätte nie gedacht, dass ein Rothabicht auf eine grosse Brahmahenne losgeht. Heute habe ich wieder etwas gelernt...