Hallo in die Runde, ich bin momentan sehr mitgenommen und muss das einfach mal loswerden. Vielleicht mag der ein oder andere etwas dazu schreiben.
Seit über sechs Jahren haben wir chinesischen Zwergseidenhühner. Aus Liebhaberei, es wird nicht geschlachtet. Wir hängen an jedem einzelnen Tier, es waren bis heute sechs (fünf Hennen, ein Hahn) und wir hatten bisher kaum Verluste. Alles habe ich bisher selbst behandelt; Kalkbeine, Legenot, Kropfverstoofung...fast immer mit Erfolg....
Vor einer Woche habe ich dann bei unserer dreijährigen Henne etwas gesehen, was ich noch nie gesehen hatte: rotes Gewebe hing ihr aus der Kloake. Ansonsten war sie putzmunter.
Erst am Abend ließ sie sich einfangen und von mir untersuchen. Er sah aus wie Darmgewebe (ca 5 cm, wulstig), und ich entfernte daraus zwei schleimige Minieier, säuberte das Ganze (sie hatte im Lauf des Tages Durchfall bekommen) mit warmem Wasser, desinfizierte es und cremte es mit Vaseline ein. Das Ganze wiederholte ich am Samstag und Sonntag und recherchierte, was es sein könnte.
Ich kam zu dem Schluss, dass es sich um einen Kloakenvorfall/ Legedarmvorfall handeln müsse, ca. 5 cm hingen heraus, wie ein Gewebeklumpen, der Kloakenrand war kaum sichtbar, und das Huhn presste die ganze Zeit. Ansonsten war es fit, klare Augen, fraß ....und auch die anderen Hühner pickten gottlob nicht nach dem Gewebe.
Montagmorgen versuchte ich zusätzlich zu den anderen Maßnahmen, das Gewebe zu reponieren, aber das ging nicht, es ließ sich nicht bleibend zurück schieben und schien dem Huhn Schmerzen zu bereiten, und so wählte ich mir den halben Tag am Telefon die Finger wund, um im erreichbaren Umkreis einen Tierarzt zu finden, den ich um Rat fragen konnte. Im Netz fand ich Ratschläge von “sofort erlösen“ bis hin zu “auf keinen Fall erlösen, heilbar“. Entsprechend verunsichert war ich froh, einen Tierarzt zu finden und für Mittwoch morgen einen Termin zu bekommen.
Dort wurde das Huhn untersucht und geröntgt, und die Tierärztin sagte, es sei tatsächlich ein Vorfall, das Gewebe sei schon nekrotisiert, inies Teilen abgestorben, es fanden sich aber keine weiteren Anzeichen für Legenot, Legedarmentzündung oder Schichteier. Auch stellte sie eine zu geringe Kalzifizierung in den Knochen fest (obwohl die Hühner ständig reichlich Muschelgrit zur Verfügung haben).
Auch, wenn die Prognose nicht allzu rosig war, hielt sie es für eine Option, unserem Wunsch zu folgen und das Huhn zu operieren (letztlich schlug sie vor: OP oder Erlösung). Wir entschieden uns für eine Op, sollten aber noch zwei Tage warten, das Huhn separieren und weiter waschen und salben und ihm Schmerzmittel und Antibiotika geben, damit es zu Kräften kommt und gut für die OP vorbereitet ist. Das haben wir dann auch getan.
Dem Huhn schien es mit jedem Tag besser zu gehen. Das Pressen ließ deutlich nach, es war fit, fraß gut, der Umfang der Entzündung ließ nach im Volumen, um das ganze Gewebe bildete sich eine Kruste, die sich nach und nach etwas aufzulösen schien, der Durchfall war weg, die Kloake wieder deutlich sichtbar, das Huhn roch auch nicht mehr nach Krankheit. Unter der Borke (etwa noch weintraubengroß) sah man frisches rotes feuchtes Gewebe. Ich hatte die Intuition: es geht bergauf!
Entsprechend mulmig war mein Gefühl, das Huhn, wie verabredet, heute zur Op zu bringen. Taten wir wirklich das Richtige? Die Ärztin wollte das überschüssige noch verbleibende Gewebe abschneiden bzw. einkürzen und nähen....war das wohl richtig? Oder sollten wir lieber zuhause weiter behandeln? Oft schon hatten unsere Hühner erstaunliche Selbstheilungskräfte....
Dennoch: früh am Morgen zur verabredeten Uhrzeit brachten wir das Tier heute zum Arzt und ließen es für die OP dort.
Was dann geschah:
Eine andere OP wurde vorgeschoben, und das Huhn stand dreieinhalb Stunden in der Warteschleife, genauer gesagt in seiner Box in einem Raum mit anderen Tieren, auch Katzen (was für ein unsäglicher Stress für dirses arme Tier!) Man versicherte uns aber, es “habe die Katzen nicht sehen müssen“ (aha).
Dann sollte es operiert werden und bekam vorher noch diverse Injektionen (davon hatten wir keine Ahnung). Dann bekam es, über die Atmung/Maske, eine zunächst zur Sicherheit nur etwas geringer dosierte Narkose.
Die Ärztin begann, das zu operierende Gewebe zu desinfizieren.
Das Huhn stirbt.
Wiederbelebungsversuch.
Zwecklos.
Wir werden angerufen.
Trauer.
Danach haben wir das Tier abgeholt. Für alle Behandlungen wurden und insgesamt knapp 250 Euro in Rechnung gestellt.
Die ganze Familie ist nun sehr traurig. Es war unser schönstes und jüngstes und ein sehr seelenvolles Huhn. Wir haben es liebevoll beerdigt. Heute morgen noch waren wir hoffnungsvoll, das Huhn wirkte so lebensfroh und stark. Und nun das.
Haben wir einen Fehler gemacht?
Hätten wir es direkt erlösen lassen und ihm diesen Stress ersparte sollen?
Ich habe am Nachmittag noch einmal im Internet recherchiert.
Es gibt sogar Fälle, wo sich eine solche Kruste wie bei unserem Huhn bildet, diese nach zwei Wochen abfällt, der Rest des Vorfalls sich von allein abheilt und zurück zieht und das Huhn wieder ganz gesund wird. Von ganz allein! Dank der Kräfte der Natur!
Ich hadere nun so sehr und hab so ein schlechtes Gewissen. Hätten wir anders entschieden....würde das Tier vielleicht noch leben....hätten wir ihm diese Odyssee erspart...Hätten...wenn...Vielleicht....
Ich bin sehr verunsichert. Und wäre so sehr dankbar für Euren Rat und Eure Erfahrungen. Ich möchte so gerne verstehen, was passiert ist. Ob wir richtig gehandelt haben. Oder falsch.
Und vor allem: Was machen wir zukünftig, wenn so etwas nochmal passiert?
Das ist ganz wichtig für mich. Ich kann die Uhr jetzt nicht noch einmal zurück drehen, kann es leider nicht ungeschehen machen. Aber falls ich daraus etwas für die Zukunft lernen kann, so möchte ich das unbedingt tun....
Momentan habe ich, ehrlich, das Gefühl: Hätten wir sie doch bloß nicht zur OP gebracht, sondern zuhause weiter behandelt. Dann wäre sie jetzt sicherlich noch am Leben. Und hätte vielleicht sogar gesund werden können?
Und ich glaube, ich würde ungern noch einmal bei einem so kleinen Huhn das Risiko einer Narkose in Kauf nehmen. Ich habe das Gefühl, dass das bei Zwerghühnern ein viel zu großes Risiko birgt...
Für Eure Erfahrungen, Tipps und Ratschläge wäre ich sehr dankbar. Das würde mir sehr helfen. Wir sind momentan sehr traurig und irritiert. Auch und vor allem unsere Tochter, die so sehr an jedem einzelnen Huhn hängt.....Eure Antworten wären mir eine große Hilfe!
Danke von Herzen an Euch alle und liebe Grüße!
Lesezeichen