Feedbackkultur oder anonyme Dauerbespitzelung

[Oliver S.]

Hallo Rohana,

... Aber warum ein gutes und nützliches Instrument verteufeln, wenn es nicht auf alles und jedes anwendbar ist?...

... ich habe ja auch oben geschrieben, dass ich echtes Feedback nicht ablehne, nämlich dort, wo es eine vom Bewerteten explizit gewünschte und ausschließlich an ihn gerichtete Rückmeldung ist. Mich ärgert nur, dass es langsam überhand nimmt und unabhängig von den Wünschen der Bewerteten eingesetzt und von 3. Instanzen ausgewertet wird. So wird das Instrument zum Kontrollinstrument der Devise Доверяй, но проверяй und das entspricht halt so gar nicht meiner Mentalität, da es alle unter Generalverdacht stellt. Wenn es noch dazu anonym erfolgt, ist Willkür Tür und Tor geöffnet, was mit meiner Vorstellung von Rechtsstaatlichkeit unvereinbar ist.

Ich denke es wäre besser, wenn die allgemeine Motivationslage wäre "Wie mache ich einen möglichst guten Job" und nicht "Wie bekomme ich eine möglichst gute Bewertung" und das ist leider nicht dasselbe.

Gruss Oliver

[Rohana]

Wenn du "echtes" Feedback nicht ablehnst, was ist dann "unechtes"? Alles was nicht deinen Vorstellungen entspricht? Damit wären wir beim Ende der Diskussion. Spätestens wenn es um grössere Summen Geld oder andere "grössere" Angelegenheiten geht, ist nämlich Kontrolle auch was ganz nettes und in den meisten Instanzen an der Tagesordnung.

[Kamillentee]

Was meinst du mit anonymes Feedback? Ich würde es eher Bewertung nennen, so wie du es hier schilderst.
Feedback ist doch nur was, was der Fragende/Betreffende selbst zurückbekommt.
Aber meist fragen, bzw. interessierts doch andere, siehe Arztbewertung, Firmenbewertung, allg. Umfragen.

Ich finde das jedenfalls hilfreich, wenn auch manipulierbar.

[Oliver S.]

Hallo Kamillentee,

Was meinst du mit anonymes Feedback? ...

... damit meine ich eine Mitteilung oder auch Bewertung von der man nicht weiss, wer sie gemacht hat. Wenn du also eine super Arzt- oder Firmenbewertung liest, kannst du nicht sicher sein, dass sie nicht vom Arzt oder der Firma selber geschrieben wurde oder, umgekehrt, von einem Konkurrenten zur Denuntiation genutzt wurde. Mit solchen Methoden wurde auch schon in Zusammenhang mit der ebenfalls gut gemeinten heiligen Inquisition gearbeitet und wir sollten daher wissen, welche Risiken diese Gerüchteküche mit sich bringt.
Gruss Oliver

[Kamillentee]

Diese Risiken gibt es auch in der normalen Kommunikation. Genau das nennt man Gerüchteküche.
Dessen muss man sich immer bewusst sein.

Ich habe letztens von einer KFZ Versicherung solch einen Fragebogen erhalten, wegen einer zugewiesenen, ausführenden Firma.
Ich habe noch etwas gewartet, um denen eine Chance zu geben, obwohl an meiner Einschätzung nicht mehr viel zu retten ist. Bald fülle ich ihn aus, und schreib noch paar extra Zeilen dazu!

[AnnTye]

Oliver, du kannst nie wissen, wer eine Bewertung gemacht hat. Mit etwas Erfahrung (ich bestelle seit Jahren viel übers Internet, weil wir in der Pampa wohnen) kann man die Spreu vom Weizen trennen, wenigstens so ungefähr.

Shopbetreiber (ich betreibe seit 2006 einen) können die auf ihren eigenen Websites abgegebenen Bewertungen editieren, löschen oder selber welche erstellen.
Manche externe Dienstleister erlauben das auch. Google z.B. nicht, da muss man als verifizierter Inhaber den Kommentar kommentieren.

Viele Grüsse Antje

[Oliver S.]

Hallo Rohana,

Wenn du "echtes" Feedback nicht ablehnst, was ist dann "unechtes"? ... Spätestens wenn es um grössere Summen Geld oder andere "grössere" Angelegenheiten geht, ist nämlich Kontrolle auch was ganz nettes und in den meisten Instanzen an der Tagesordnung.

... im Wort Feedback steckt doch das englische Wort back (zurück). Wenn also eine direkte Rückmeldung an den Verursacher damit gemeint ist und diese Rückmeldung auch gewollt ist, dann sehe ich kein Risiko. Diese Situation meinte ich, als ich von echtem Feedback schrieb. Wenn aber davon abweichend, die Mitteilung nicht zurück sondern an eine andere Stelle geht, wird dadurch auch die Möglichkeit zur Denunziation durch den Bewerter und die Möglichkeit zur Kontrolle des Bewerteten durch die 3. Instanz geschaffen.
Auch Kontrolle kann duchaus sinnvoll sein, besonders, wenn es um besondere Projekte und viel Geld geht. Dann wird aber wohl kaum eine Gruppe anonymer Sachverständiger beauftragt, die sich aus eigenem Antrieb gar nicht geäußert hätte, sondern jemand, der aufgrund seiner besonderen Qualifikation zu seiner Kritik stehen kann und mit dem sich der kritisierte auseinandersetzen kann.

Wenn Antjes Postbote z.B. ihre Post nicht korrekt transportieren würde, würde sie sich sicher persönlich und nicht anonym bei der Post beschweren. So ein Feedback fände ich völlig ok. Dass man nun aber auch noch anonym das Kindermädchen spielen soll und die Kleidung des Boten, ein Routinegespräch im Autohaus oder den Nikolas, der jedes Jahr der Kinder im ganzen Dorf beschenkt, ungefragt bewerten soll... na, ich weiss nicht. Ganz zu schweigen von anonymen Bewertungen in potenziellen Konfliktsituationen wie sie in Ausbildungs- oder Verhandlungssituationen entstehen können

Gruss, Oliver

[Oliver S.]

Hallo Antje,

...Shopbetreiber (ich betreibe seit 2006 einen) können die auf ihren eigenen Websites abgegebenen Bewertungen editieren, löschen oder selber welche erstellen.
Manche externe Dienstleister erlauben das auch...

es ist aber wichtig zu wissen, dass dermaßen manipuliert werden kann und dass man also nicht so viel auf entsprechende Feedbacks geben sollte.
Daneben gibt es aber durchaus auch nicht-anonymes Feedback, das meiner Meinung nach eine ganz andere Qualität hat.
Gruss, Oliver

[AnnTye]

[...]

Wenn Antjes Postbote z.B. ihre Post nicht korrekt transportieren würde, würde sie sich sicher persönlich und nicht anonym bei der Post beschweren. So ein Feedback fände ich völlig ok. Dass man nun aber auch noch anonym das Kindermädchen spielen soll und die Kleidung des Boten [...]

Gruss, Oliver

Ich finde schon, dass ein Arbeitgeber das abfragen darf, wenn Kleiderordnung Teil des Arbeitsvertrags ist.

Das Problem für mich ist oft, wie die Fragebögen gestaltet sind.

Hier war es das verpflichtende Feld "Sauberkeit" zwischen 1 und 10. Wenn ich ihm da 5 reingeschrieben hätte, würde er abgestraft. 10 wäre gelogen gewesen, weil ich nicht darauf geachtet hatte. Mir ist nichts aufgefallen, weil es für mich nicht wichtig war. Sie hätten das Feld einfach optional machen sollen, oder die Option "weiss ich nicht" zur Verfügung stellen.

[Rohana]

Wenn Antjes Postbote z.B. ihre Post nicht korrekt transportieren würde, würde sie sich sicher persönlich und nicht anonym bei der Post beschweren.

Ob sie es persönlich oder anonym tut, ändert nichts an dem Fakt dass der Postbote Mist gebaut hat.

Dass man nun aber auch noch anonym das Kindermädchen spielen soll und die Kleidung des Boten, ein Routinegespräch im Autohaus oder den Nikolas, der jedes Jahr der Kinder im ganzen Dorf beschenkt, ungefragt bewerten soll... na, ich weiss nicht.

Siehst du da irgendwo eine Verpflichtung zu? Vor allem wirst du *gefragt*, sonst bekommst du ja keinen Bewertungsbogen, ist also nix ungefragtes.

Im Kontext meiner Arbeit frage ich tatsächlich öfter nach (direktem, mündlichem) Feedback und ich weiss dass meine Chefin es (ohne mein explizites Wissen) über mich auch tut. Wer sich nicht am Kunden orientiert, grade in der heutigen Zeit mit harter Konkurrenz, der wird es sehr bald merken... Tourismusbranche, nicht mehr Uni

Das Problem für mich ist oft, wie die Fragebögen gestaltet sind.

Daran kann man schon erkennen wie seriös der Erfasser von Feedback ist...