Hühnerhaltung wie früher - möglich?
Moin ihr Hühnerliebhaber,
bis zu einem Alter von ca. 7 Jahren gehörte neben Ziegen, Schwein, Kuh auch Hühner zu meinem Umfeld. Meine Aufgabe war es den Hühnern täglich ein paar Körner zu füttern, abends den Stall zu schließen und wöchentlich den Stall auszumisten.
Die Hühner liefen frei im Hof, auf der Wiese herum, pickten hier, pickten da, scharrten auf dem Mist und waren total unkompliziert. Es wurden lediglich täglich die Eier abgesammelt und ab und an ein Huhn geschlachtet.
Auch hierbei musste ich schon als Kind helfen, sodass mir Schlachten nicht fremd ist.
Seit diesem Jahr kann ich, nach 55 Jahren ohne Federvieh, endlich wieder Hühner halten.
Ich wohne im "freien Feld" und hier können die Hühner, wie ich es von früher kenne, frei herumlaufen und sich völlig ungestört des Lebens freuen.
Ich möchte gesunde Eier und gelegentlich leckeres Fleisch von meinen eigenen Hühnern genießen. Meine Hühner sollen sich in ihrer Natürlichkeit entwickeln können und das Leben genießen.
Nun scheint sich aber die Hühnerhaltung im Gegensatz zu früher radikal geändert zu haben. Es gibt scheinbar nicht mehr viele Hühnerrassen (Rasse ist eh ein blöder Begriff für mich) die noch so unbeschwert gehalten werden können.
Bei meiner Suche im Netz lese ich so viel Sachen, welche früher garnicht in Beachtung kamen.
- spezielles Futter
- spezielle Impfungen
- spezielle Einstreu
- speziellen Auslauf usw.
Hier scheint die ursprünglichen Vorgehensweise bei der Hühnerhaltung völlig abhanden gekommen zu sein.
Es gibt viele Regeln, Vorschriften, "Zuchtziele" usw.
Die Hühner und Hähne dürfen sich kaum natürlich vermehren und frei leben. Natürlich will ich nicht eine absolut unkontrollierte Vermehrung betreiben. Darauf hat man früher auch schon geachtet.
Aber ich sehe so viele Eingriffe in die ursprüngliche, natürliche Hühnerhaltung.
Seit Februar habe ich mir Küken ausgebrütet und diese nun schon seit 2 Wochen draußen laufen. Ich würde gerne so gut wie möglich die Hühner wie früher halten.
Einen Stall (habe ich bereits fertig) zur Verfügung stellen.
Täglich Eier sammeln, Wasser auffrischen, Stall abends schließen, nachmittags eine Handvoll Körner vom Bauern nebenan geben, ab und an Küchenabfälle (Salat, Schalen von Gemüse usw.) und ansonsten die Hühner einfach ungestört leben lassen.
Wenn es an der Zeit ist, wandert der ein oder andere Hahn oder Huhn in den Topf. Mehr sollte es nicht sein.
Wie seht ihr das?
Ist Hühnerhaltung so heute noch möglich?
Betreibt eventuell jemand von euch genau so seine Hühnerhaltung?
Ich freue mich auf Eure Meinung, Ratschläge und Unterstüzung.
Gackernde Grüße von der Nordsee.
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Zitat:
Zitat von
Lirex
Bei meiner Suche im Netz lese ich so viel Sachen, welche früher garnicht in Beachtung kamen. ...
ich sehe so viele Eingriffe in die ursprüngliche, natürliche Hühnerhaltung. ...
Täglich Eier sammeln, Wasser auffrischen, Stall abends schließen, nachmittags eine Handvoll Körner vom Bauern nebenan geben, ab und an Küchenabfälle (Salat, Schalen von Gemüse usw.) und ansonsten die Hühner einfach ungestört leben lassen.
Moin!
Als wir anfingen, 100+ Jahre alte Rassen zu halten, habe ich mir eben solche Fragen gestellt. Und dachte: Das muß doch "früher" einfach und übersichtlich, auch beschaulich gewesen sein. Leider ließ sich GENAUES nur mühsam ausgraben, weswegen ich mir dann bei günstiger Gelegenheit ein Büchlein aus ungefähr jener Zeit beschaffte:
Anhang 251565
Das Buch oben links ist von 1939, und der Autor (von Beruf Veterinär) wettert gleich auf den ersten Seiten über den ungenügenden Ernährungszustand des deutschen Dorfhuhns.
Sein immer noch erstaunlich praktisches Buch zu den Krankheiten des Geflügels trägt die Botschaft, daß sich die meisten Maladen durch angemessene Fütterung und Haltungsbedingungen vermeiden lassen.
Das Buch rechts oben (von 1946-50) führt aus: "Von reiner Körnerfütterung ist also unbeding abzusehen. Im übrigen hat Kohlbach nachgewiesen, daß reine Körnerfütterung vom Huhn nicht vertragen wird...."
Kulturschock:
Begriffe wie "Legemehl" und "Eiweißmischfutter" waren da schon etabliert, man fing gerade an, die Vitamine richtig zu verstehen. In den detaillierten Rezeptlisten findet sich u.a. der Name "Deuka".
Pülverchen und Kniffe zur Verbesserung der Kondition (z.B. Vitaminkalk) erwähnt noch früher der Erzüchter der Orpingtons:
William Cook, Practical Poultry Feeder (English, kostenlos): https://ia800205.us.archive.org/6/it...4003167412.pdf
William Cook, The history and development of the Orpington fowl (English):
https://www.forgottenbooks.com/en/bo...Times_10523551
So einfach war es "damals" also schon nicht (denn selbst die Henne mit der dann vergleichsweise moderaten Legeleistung war eine Hochleistungsathletin, die die menschlichen Stoffwechselleistungen völlig in den Schatten stellte).
Zur Zeit des Erscheinens der Bücher der zweiten Reihe löste sich (in Deutschland) die professionelle Geflügel"produktion" völlig von den Kleinhaltungsmethoden. Die Schriften der ersten Reihe sind inzwischen (Ökologie, Ersatzfuttermittel für knappe Importgüter, Freilandhaltung in überschaubaren Gruppengrößen) wieder fantastisch interessant.
Ich habe schon mehrfach darauf verwiesen - was Dir vorschwebt (das selbstsuffiziente Huhn in natürlicher Hofumgebung) wurde in jüngerer Zeit am Sulmtaler wieder untersucht: https://www.oekotierzucht.de/wp-cont...sterarbeit.pdf
Im Sommer würde das bei uns im Garten funktionieren, aber die graue Zeit des Jahres ist leider lang.
Ein ähnlicher Ansatz mit Unterstützung durch moderne Futtermittel: "Vergleich der Mast- und Legeleistung von sechs Zweinutzungs Hühnerherkünften zur Abschätzung ihrer Eignung für eine privatwirtschaftlich unabhängige Geflügelzucht für die ökologische Landwirtschaft"
https://www.oekotierzucht.de/wp-cont...-O%CC%88TZ.pdf
Ich bin mir selbst zu dem Schluß gekommen, daß unsere Hühner das frischluftige Leben der "guten alten Zeit" UND die Versorgungssicherheit des 21.Jahrhunderts genießen können.