Ptrludwig, ich denke, Michael hat deinen Beitrag im Grunde schon beantwortet, ich möchte dies aber noch ergänzen:
Bei einer Rasse, die vom Aussterben bedroht ist, ist die Gefahr von Inzucht groß. Man kann es sich schlicht nicht leisten, Tiere auszusondern, nur weil eines oder wenige Merkmale nicht gut ausgeprägt sind. Darum müssen zunächst Kompromisse eingegangen werden. Es geht ja gerade darum, schlussendlich beides zu fördern, Nutzwert und Phänotyp. Wenn auch zunächst das eine und dann erst das andere.
Wer Macht hat, trägt auch Verantwortung. Wer Tiere züchtet, übt Macht aus. Im Falle einer bedrohten Rasse ist dies nicht zuletzt auch Macht über die genetische Vielfalt auf unserem Planeten, über Brauchtumspflege und auch über die Lebens- und Ernährungsgrundlage unserer Kinder und Kindeskinder. Wer diese Verantwortung nicht bereit ist zu tragen, sollte sich eine andere Rasse aussuchen.
Nach anfänglicher Enttäuschung habe z.B. ich mich durchaus gefangen und habe mich nicht abgewandt, sondern bin nun mehr denn je daran interssiert, der Rasse zu helfen.
Tanny, ich habe mir deinen verlinkten Beitrag (allerdings ohne den Rest des Themas) durchgelesen und finde ihn sehr gut. Meines Erachtens hast du Recht. Du machst dir offenbar dezidierte Gedanken um deine „Zuchtplanung“ und daher denke ich auch, dass man in deinem Fall durchaus von „gezielter Zucht“ sprechen kann, wenn auch mit tatsächlich leicht abweichenden Zielen.
Leider gibt es wohl daneben tatsächlich viele Hobbyhalter, für die der Begriff Vermehrung eher zutrifft. Für den „Alltagsgebrauch“ kann ich daher auch die somit vereinfachende Darstellung von Michael gut akzeptieren. Wenn man deinen verlinkten Post liest, denke ich, dass du dich von Michaels Darstellung nicht unbedingt angesprochen fühlen musst.
Meiner Meinung nach haben aber beide Zuchtziele und -formen ihre Berechntigung.
Schwer verständlich finde ich übrigens folgende Aussage:
„artgerechtes Sozial- und Feindverhalten werden von den Hühnern nicht gelernt, sondern sind angeboren“
Mein erster Gedanke war „Was ist denn das für ein Quatsch? Kein Tier, das höher entwickelt ist als eine Amöbe, kommt aus, ohne angeborene Verhaltensweisen durch erlernte zu ergänzen.“
Wenn man aber weiter denkt, fragt man sich doch, wie denn Tannys Hühner ihr Verhalten „normalisiert“ haben. So ganz ohne Vorbilder, die es ihnen hätten „beibringen“ können.
Da komme ich zu dem Schluss, dass wohl doch die Grundlage schon in den Genen vorhanden war, und nur durch fehlende bzw. schlechte Umweltbedingungen unterdrückt war. (Beispiel: Küken reagieren noch instinktiv auf Warnrufe erwachsener Hühner. Wenn auf diese Warnrufe keine Gefahr folgt, lernen sie, diese Warnrufe zu ignorieren.)
Im übrigen schließt Michaels Aussage nicht zwingend aus, dass die grundlegenden, angeborenen Verhaltensweisen in einer Hühnergruppe durch erlernte noch verfeinert werden.
Vielleicht ist diese Differenz zwischen Euch auch keine grundlegende, sondern lediglich der Tatsache geschuldet, dass niemand hier ein Buch schreiben kann…?
Übrigens denke ich, dass häufige Doppeldotter auch Folge einer ebenso wenig wünschenswerten Störung und keineswegs normal sind…
DAS würde ich allerdings 120%ig unterstützen...
Noch vor wenigen Jahren hätte ich darauf folgendes geantwortet:
Stimmt das tatsächlich? Denn wenn ich doch jahrelang nur Eier von Hennen verwernde, die bereits als einjährige 55g erreichten, so erscheint es doch nur logisch, dass auch deren Nachfahren 55g erreichen. Und zwar unabhängig davon, ob die Hennen nun einjährig waren (und das Ei somit 55g hatte) oder ob die Henne dreijährig war (und das Ei somit 75g hatte). Schließlich hängt doch die Vererbung der Eigröße mit der genetischen Ausstattung der Henne zusammen.
Nun ist die Wissenschaft ja mittlerweile einen Schritt weiter, so einfach scheint das mit der Vererbung doch nicht zu sein. Hier ein interessanter Spiegel-Artikel dazu:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/m...-a-605447.html
Scheinbar können doch auf irgendeinem Wege Erfahrungen an die Nachkommen weiter gegeben werden.
Und – für uns jetzt interessant – es gab mal in irgendeiner Quarks & Co Sendung den Hinweis, dass ähnliches für uns Menschen gilt. Mütter, die in der Kriegszeit Nahrungsmangel erleiden mussten, hatten Kinder mit bestimmten Gen-Veränderungen, selbst wenn sie diese bekamen, als schon längst wieder genug Nahrung verfügbar war. Es gab leider nur wenige Sätze dazu und die entsprechende Sendung finde ich nicht mehr wieder…
Jedoch würde ich es nicht mehr völlig ausschließen, dass die Erfahrung, von Geburt an (bzw. sogar noch vor dem Schlüpfen) Nahrung im Überfluss zu haben („großes Ei“), sich auf die Entwicklung und Eigenschaften (möglicherweise Genetik?) der Küken auswirken kann.
Vielleicht könnte uns hier ein „Profi“ kurz erklären, wie denn die Eigröße vererbt wird? Oder ist das zu schwierig, um es kurz zu fassen…?
Dem o.g. zitierten Satz widerspricht auch z.B. eine Passage in einem Buch, das ich mir nach Ernsts freundlichen Literaturhinweisen zugelegt habe. Ich darf das Buch “Nachfahren der Sprenkelhühner Nordwesteuropas“ aus dem Verlagshaus Reutlingen von 1994 zitieren. Herr Adalbert Lewald schreibt dort in dem Kapitel über Ostfriesische Möwen und Zwerg-Möwen auf Seite 98: „Bei zu rascher Entwicklung der Hennen folgen schnell viele kleine Eier […]“ So oder ähnlich habe ich es auch schon hier im Forum gelesen und auch von einem erfahrenen Altzüchter gehört, der mir gerade deshalb vom (erhaltenden, nicht fördernden) Junghennenfutter abraten wollte, um einen schnellen Legebeginn zu erreichen.
Könnte es eventuell sein, dass die Empfehlung, ältere Hennen zur Zucht zu nutzen, besonders auch mit anderen Eigenschaften als nur dem Eigewicht zusammen hängt? Insbesondere wenn man nicht nur den Phänotyp im Blick hat.
Mir erschließt sich übrigens nicht, wieso du unbedingt Einkreuzungen für notwendig hältst. Unterstützen würde ich das, wenn der Fortschritt kurzfristig sein soll. Aber ist es der Erhalt der Rassereinheit nicht vielleicht wert, darauf zu verzichten?
Viele Grüße
Angie
PS: Auf der gleichen Seite ist übrigens zu lesen: „Bei den Eiern ist mit 200 Stück zu rechnen, die ein Gewicht um die 56g auf die Waage bringen, und als sehr wohlschmeckend gelten.“ Es ist das Kapitel über „Rasse, Erscheinungsbild und Zuchtstand“, und nicht etwa das über Wünsche und Utopien.
PPS: Ein Treffen fände ich klasse. Würde mich glatt beteiligen, wenn meine familiäre Situation das zuließe...