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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Gackernd durch die ganze Welt



bruchfred10
09.04.2007, 23:03
Ich habe hier in der Berliner Zeitung einen ganz interessanten Artikel gefunden. Vielleicht interessiert sich ja jemand dafür.

Gruß bruchfred10


http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/print/wissenschaft/643386.html

Gackernd durch die ganze Welt
Monika Offenberger

Ilmatar sah einen Vogel, der brüten wollte. Doch das Land war noch nicht erschaffen. Und so bot die Göttin der Lüfte dem Tier an, auf ihrem Schoß zu brüten. Er legte sieben Eier: sechs goldene und eines aus Eisen. Doch Ilmatar wurde ungeduldig, die Eier fielen von ihren Knien und zerbrachen. Nach der finnischen Mythologie, der Kalevala, entstand so das Universum: Aus den oberen Schalenhälften wurde der Himmel, die Eidotter bildeten die Sonne, aus dem Eiweiß entstand der Mond, die restlichen Schalenstücke wurden zu Sternen und Wolken. Und aus dem schwarzen Dotter des Eiseneies wurde eine Gewitterwolke.

Auch in vielen anderen Schöpfungsmythen verkörpert das Ei das Geheimnis des Lebens. Der christliche Brauch, zu Ostern Eier zu schenken, hat seinen Ursprung im Glauben an die Auferstehung Jesu. "Gleich einem Ei springt das Grab auf", schrieb der syrische Kirchenlehrer Ephräm im 4. Jahrhundert.

Es begann im Dschungel

Heutzutage hat das Ei nicht mehr so viel Symbolkraft. Es wird in erster Linie als Nahrungsmittel gesehen. Damit die Menschen stets genügend Eier haben, geben weltweit an die 14 Milliarden Hühner ihr Bestes. Sie alle sind durch gezielte Auslese aus einer einzigen Vogelart hervorgegangen: dem Bankivahuhn oder Roten Dschungelhuhn (Gallus gallus).

Noch heute findet man den scheuen Vogel in den Wäldern Südostasiens: von Kaschmir über Hinterindien, Südchina bis nach Malaysia und Sumatra. Die braunen Wildhennen sind im Unterholz gut getarnt. Auch der Hahn hat den Sommer über ein schlichtes Kleid und schmückt sich erst im Winter mit einem mehrfarbigen Prachtgefieder. Das ist bei seinem zahmen Urenkel namens Brauner Italiener immer noch so, der heutzutage auf Bauernhöfen überall in Europa lebt. Wenn mit dem Frühling die Balzzeit im Dschungel anbricht, beginnen die Hähne zu kämpfen. Sie wollen ihr Revier verteidigen und eine Hand voll Hennen erobern.

Biologen vermuten, dass diese spektakulären Zweikämpfe der Grund für die Domestikation von Gallus gallus waren. Zumindest bewegen Hahnenkämpfe seit jeher die Gemüter. Im antiken Babylonien waren sie beliebt, ebenso bei den alten Chinesen und Griechen. Noch heute sind die streitenden Gockel eine Attraktion - besonders in Regionen wie Borneo, Java, Sumatra, Bali und Malaysia sowie auf den Philippinen, also nahe der Heimat des Bankivahuhns.

Wie das Gackern nach Europa kam, versuchen Forscher anhand von Münzen und Malereien, Tonfiguren und Schriftstücken zu ergründen. Wo solche kulturellen Hinterlassenschaften fehlen, da helfen alte Knochen weiter, die zwischen den Scherben längst verlassener Siedlungen zu finden sind. Ihre Form und Größe verraten, ob sie von Wild- oder Haushühnern stammen, von Hennen oder Hähnen - ja sogar, ob die Hähne kastriert waren und wie man sie zubereitete.

Funde aus dem dritten Jahrtausend vor Christus belegen, dass die Menschen, die damals an den fruchtbaren Ufern des Indus im heutigen Pakistan lebten, bereits Haushühner kannten. In Mohenjo-Daro, einer der großen Städte der Industal-Kultur, hielt man Hühner, die deutlich größer waren als ihre wilden Verwandten. Vom Indus brachten die Menschen ihr Federvieh spätestens gegen Ende des zweiten vorchristlichen Jahrtausends Richtung Westen nach Mesopotamien und weiter über Anatolien nach Griechenland.

In Ägypten wird das Haushuhn erstmals um die Mitte des zweiten Jahrtausends vor Christus erwähnt, in den Annalen von Thutmosis III. Darin werden Vögel geschildert, die als Mitbringsel aus einem nordöstlichen Land kamen und "täglich gebären", also jeden Tag Eier legen. Das ist ein Indiz dafür, dass die damaligen Haushühner schon bedeutend produktiver waren als ihre wilden Großmütter. Bankivahennen bringen es nur auf ein bis zwei Dutzend Eier im Jahr.

Die Spur der Hühner führt von Griechenland nach Italien und von dort gen Norden. Über die Alpen schaffte es der Vogel irgendwann im siebten Jahrhundert vor Christus. Archäologen fanden Hühnerknochen aus dieser Zeit in einem frühkeltischen Herrensitz an der oberen Donau sowie in einem etwa ebenso alten Hügelgrab bei Schirndorf in der Oberpfalz. In der Slowakei gehörten Hühnerknochen in der Latènezeit, also 600 bis 100 Jahre vor Christus, zu den regelmäßigen Grabbeigaben. Sie dienten als Wegzehrung und als Garant für neues Leben.

Die Römer und das Federvieh

Als die Römerzeit zu Ende ging, hätte es eines Vereins zu Erhaltung der Hühner-Artenvielfalt bedurft. Denn in der Blütezeit des Römischen Reichs hatte sich zwar bereits reiches Wissen über Hühnerhaltung und -züchtung angesammelt: Es gab mehrere Hühnerrassen, darunter auch Zwerg- und Haubenhühner, die aus Liebhaberei gezüchtet wurden. Doch mit dem Untergang des Imperiums ging diese Expertise verloren. Im frühen Mittelalter nahm die Formenvielfalt ab und die Hühner wurden mickeriger. Erst im Spätmittelalter bemühte man sich um die Züchtung neuer Landhuhnrassen, von denen einige bis heute existieren - zum Beispiel Thüringer Barthühner, Rheinländer, Hamburger, Altsteirer und Paduaner.

Monopol der Legehennen

Eine regelrechte Zuchtwut brach Anfang des 19. Jahrhunderts aus - zuerst in England, später auch in anderen europäischen Ländern. Von Europa aus gelangten viele Rassen nach Amerika und wurden dort weitergezüchtet; manche kamen nach dem Ersten Weltkrieg wieder zurück nach Europa, darunter auch einige der heutzutage wichtigsten Wirtschaftsrassen wie zum Beispiel Weißes Leghorn. Diese äußerst produktiven Hennen - sie legen durchschnittlich 300 Eier im Jahr - werden in 51 Ländern der Welt gehalten.

Heutzutage ist die Hühnerhaltung zu einer Monokultur geworden. Das geht aus einem Ende 2006 von der Welternährungsorganisation FAO vorgelegten Bericht hervor, der sich mit dem Stand der globalen genetischen Ressourcen von Haustieren beschäftigt. Demnach wird der gesamte Weltmarkt an Legehennen von nur zwei Zuchtunternehmensgruppen beherrscht: Erich Wesjohann und Hendrix Genetics mit Sitz in Deutschland beziehungsweise Holland.

Zusammen mit dem US-amerikanischen Konzern Tyson versorgen die beiden Betriebe die Geflügelwirtschaft fast komplett. Weltweit liefern sie neun von zehn Masthühnern. Die Folgen: Vor allem in Entwicklungsländern verdrängen wenige Hochleistungs-Züchtungen die heimischen Rassen und führen zu einem dramatischen Rückgang der genetischen Vielfalt von Nutztieren. Weltweit, beklagt die FAO, seien zwei Drittel aller bekannten Geflügelrassen gefährdet.

Altmodisches Federvieh hat es auch hierzulande schwer. Von den 97 Großhuhnrassen in Deutschland sind 21 in ihrem Bestand bedroht. Das ist das Fazit einer 2006 erstellten Analyse der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen sowie des Bundes Deutscher Rassegeflügelzüchter. Ob etwa Krüper-Hühner, die zu den ältesten deutschen Geflügelrassen gehören, überleben werden, liegt in der Hand einer kleinen Zahl von traditionsbewussten Landwirten. Bislang ist es ihnen gelungen, seltene Züchtungen über Jahrzehnte hinweg zu erhalten.

Berliner Zeitung, 07.04.2007

Gast
09.04.2007, 23:06
hoffentlich schafft es die zeitung bis auf seehofers schreibtisch............

Redcap
09.04.2007, 23:12
Eine Zukunftsperspektive ... http://www.welthungerhilfe.de/417.html