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Redcap
10.11.2006, 18:23
http://www.kurier.at/nachrichten/oesterreich/38565.php


PR-getriebener Journalismus
Medien-Wissenschafter warnen vor einem "beidseitigen Abhängigkeits- und Erpressungsverhältnis".

AP Nicht immer steht die Information im Vordergrund. Die Mischung aus Marketing und Journalismus wirft neue Schatten auf den Leser. Die "Initiative Qualität im Journalismus" (IQ) warnt vor einer zu starken, für den Leser nicht erkennbaren Vermischung von informativem Journalismus und PR-getriebenen Inhalten. Dieses Phänomen "begegnet uns heute besorgniserregend oft", sagte IQ- Präsident Engelbert Washietl bei einer Podiumsdiskussion am Donnerstagabend. Der deutsche Kommunikationswissenschafter Michael Haller konstatierte ein "beiderseitiges Abhängigkeits- und Erpressungsverhältnis" von Journalismus und PR sowie ein "Schnittstellenproblem": Zu oft würden etwa Zeitungsartikel von PR- basierten Inhalten ohne zusätzliche Recherche dominiert.
Produkt und "Hype"

Neben der simplen Übernahme von Presseaussendungen in den redaktionellen Dienst prangerte Haller auch Versuche an, mittels "strategischer PR" Ereignisse zu inszenieren und damit eine bestimmte Nachfrage zu erzeugen. Als Beispiel nannte er die Pharmaindustrie, konkret den mittlerweile wieder abgeklungenen "Hype" um die Vogelgrippe und die Angst vor einer Pandemie. Dem Schweizer Pharmakonzern Roche habe das Thema eine ungemeine Umsatzsteigerung beschert, obwohl die Wirksamkeit des Grippemittels "Tamiflu" gegen die Vogelgrippe überhaupt nicht bewiesen sei, kritisierte Haller.
"Freunderlwirtschaft"

Elisabeth Horvath vom Presseclub Concordia betonte, dass die Beeinflussung der Medien durch die PR-Maschinerie häufig auf noch subtileren, persönlichen Ebenen stattfinde, etwa über teure Essenseinladungen, Pressereisen oder Geschenke. Auf wirtschaftlichen Druck seitens mancher Anzeigenkunden verwies Andreas Koller, stellvertretender Chefredakteur der "Salzburger Nachrichten". Diese würden immer wieder den Anspruch erheben, Inserate mit einem redaktionellen Artikel zu koppeln.

Von "beiderseitigen Erpressungsversuchen" sprach in diesem Zusammenhang dagegen Brigitte Mühlbauer von der Menedetter PR: Schließlich gebe es auch Medienhäuser, die eine positive Berichterstattung über ein Unternehmen mit der Forderung nach einem gewissen Anzeigenvolumen verbinden würden.
Unzertrennlich

In Summe waren sich die Diskutanten einig, dass ein positives Miteinander von PR und Journalismus in beiderseitigem Interesse unumgänglich sei, nämlich in sofern, dass die PR einen Anstoß für journalistische Inhalte liefere und der Redakteur weitergehende Informationen recherchieren müsse.

Artikel vom 10.11.2006, 15:52 | apa | gn

gaby
10.11.2006, 19:58
Sag ich das nicht immer wieder? 8) Danke für den Artikel Redcap!
gg

Rumpelstilzchen
11.11.2006, 16:58
auch noch interessant dazu:

http://onnachrichten.t-online.de/c/95/92/08/9592084.html

:: Lobbyisten in der Bundesregierung
Viele Industrievertreter in Ministerien tätig


Lobbyisten aus Industrieverbänden und großen Konzernen sind in erheblichem Maße in Bundesministerien direkt tätig. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der FDP-Fraktion hervor, die der "Berliner Zeitung" vorliegt. Darin räumt die Regierung ein, dass in den vergangenen vier Jahren "insgesamt 100 externe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ganz oder teilweise von Unternehmen, Verbänden oder Gewerkschaften bezahlt wurden", in Ministerien sowie Kanzleramt zeitlich befristet "tätig gewesen beziehungsweise aktuell eingesetzt" sind.

Mitarbeit an Gesetzesvorlagen
Die Abgesandten aus Industrie und Verbänden sind dabei in Einzelfällen sogar direkt mit der Formulierung von Gesetzestexten befasst. Eine "auf die Mitwirkung an Gesetz- und Verordnungsentwürfen ausgerichtete Tätigkeit" bestehe derzeit in vier Fällen, zitiert die "Berliner Zeitung" die Antwort der Bundesregierung weiter. So sei ein "pensionierter Mitarbeiter des Deutschen Aero Club e.V." seit Juli im Verkehrsministerium damit befasst, beratend bei der Formulierung neuer Vorschriften für die Eignungsanforderungen von Hobbypiloten mitzuwirken.

Bankenvertreter im Finanzministerium
Im von Peer Steinbrück (SPD) geführten Finanzministerium wiederum "bearbeiten je ein Mitarbeiter vom Bundesverband Öffentlicher Banken, von der Kreditanstalt für Wiederaufbau und von der Deutschen Börse AG" Fragen des Kreditwesengesetzes, der Finanzdienstleistungsaufsicht sowie "die gesetzliche Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie" der EU, heißt es in der Antwort.

Zum Stöbern und Nachlesen

Regierung: keine Einflussnahme
Eine "politische Einflussnahme auf Entscheidungen der obersten Bundesbehörden" schließt die Regierung dennoch aus. Schließlich würden die externen Mitarbeiter von den Vorgesetzten kontrolliert, sie seien auf "gewissenhafte Erfüllung ihrer Obliegenheiten und auf Verschwiegenheit" verpflichtet.

Opposition zweifelt
Das sind Sätze, deren Wahrheitsgehalt indes von der Opposition angezweifelt werden. Es müsse "schon der Anschein" vermieden werden, dass sich die Bundesregierung Gesetzestexte von Interessenverbänden formulieren lasse, moniert der Vize-Chef der FDP-Bundestagsfraktion, Rainer Brüderle. "Wenn der Bundesverband der öffentlichen Banken im Finanzministerium direkt an der Reform des Kreditwesengesetzes mitarbeitet, ist das mehr als fragwürdig", sagte Brüderle der "Berliner Zeitung". Niemand könne Mitspieler und Schiedsrichter zugleich sein, so der Politiker. "Herr Steinbrück lässt hier jedes Fingerspitzengefühl vermissen."