PaterZwieback
24.10.2006, 21:41
VON MICHAEL LOHMEYER (Die Presse)
25.10.2006
Warum es keine neuen Fälle gibt und sich Behörden auf den Ernstfall vorbereiten.
WIEN. Es ist still geworden. Vor einem halben Jahr hat die "Vogelgrippe" für Aufregung gesorgt, mancherorts für Panik. Dann ist wieder Ruhe eingekehrt - nur eine Ruhe vor dem Sturm? "Die Presse" beantwortet, warum Schreckensszenarien ausgeblieben sind und weshalb die Tierseuche nach wie vor Experten und Behörden beschäftigt.
1 Wer hat die Ausbreitung der Vi rus-Erkrankung gestoppt?
Genau genommen: niemand. Nach Auftreten der Fälle in Österreich (siehe Info-Kasten) ist im Frühjahr die Zahl der Infektionen von Wildvögeln - insbesonders Schwänen - zurückgegangen. Seit Mai wurde hierzulande kein neuer Fall entdeckt. Ein Übergreifen auf die Bestände heimischer Geflügelfarmen ist ausgeblieben. Im vergangenen Winter sind vor allem Schwäne an der Vogelgrippe verendet. Bei Tests über den Sommer haben Veterinäre herausgefunden, dass Schwäne Anti-Körper gegen das Vogelrippe-Virus H5N1 haben und den Krankheitserreger nicht ausscheiden.
2 Was sagen die Experten zum Auf treten der Seuche?
"Wissenschaftlich ist das nicht zu beantworten" - Das antworten Virologen und Wildtierbiologen unisono offenherzig auf die Frage nach einer Erklärung, weshalb sich die Vogelgrippe im vergangenen Winter innerhalb weniger Woche von China bis Spanien ausgebreitet hat. Der Verdacht, dass aus Afrika zurückkehrende Zugvögel für eine weitere Vogelgrippe-Welle hätten sorgen können, sei "begründet" gewesen; warum sie ausgeblieben ist, bleibt für die Experten vorerst unbeantwortet.
3 Ist mit einem erneuten Ausbruch der Vogelgrippe zu rechnen?
Aktuell gibt es dafür keine Anzeichen; allerdings hat es die vor einem Jahr genauso wenig gegeben; die Tierseuche hat sich schlagartig ausgebreitet. Wildtierbiologen sagen mittlerweile: "Klar ist, dass Massentierhaltung die Ausbreitung der Seuche begünstigt." Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) hat weitere Veränderungen des Virus festgestellt. Experten in Österreich haben analysiert, dass hierzulande zwei Varianten des asiatischen H5N1-Typs aktiv sind, die sich genetisch unterschiedlich entwickeln: jene am Bodensee, die über Norddeutschland nach Österreich gekommen ist; und jene, die in Ostösterreich und der Steiermark auftrat vom Donaudelta gekommen ist.
4 Ist die Gefahr für den Menschen gebannt?
Nein. Die WHO hat mittlerweile einen Fall (in Indonesien) bestätigt, bei dem das Virus von Mensch zu Mensch übertragen worden ist. In diesem Land sind bisher von 72 mit dem Vogelgrippe-Virus Infizierten 55 gestorben. Der letzte Fall wurde am Montag der Vorwoche gemeldet. In dem einen von Mensch zu Mensch übertragenen Fall hat es engen Kontakt bei der Pflege eines Kranken gegeben - ohne Mundschutz. Aus Ägypten wurden ersten Humaninfektionen mit H5N1 im vorigen Winter gemeldet. Mittlerweile gibt es bereits bestätigte Erkrankungen, 6 sind gestorben. Über Ägypten verläuft eine der Hauptrouten des Vogelzugs. Das Virus verändert sich ständig, aber bisher schlagen die WHO-Experten nicht Alarm, dass das Virus auch bei flüchtigem Kontakt unter Menschen übertragen werden kann.
5 Muss Geflügel demnächst wieder in die Ställe gesperrt werden?
Das ist vorerst nicht absehbar. Die Notfallpläne aus dem Vorjahr wurden von den Bundesländern und vom Gesundheitsministerium verfeinert, heißt es. Konkret bedeutet dies, dass "Risikogebiete" dort definiert werden, wo Geflügel in der Nähe von Gewässern und Vogelzug-Routen gehalten wird. Dort könnte es unter Umständen eine Stallpflicht geben. Geflügelhalter experimentieren mittlerweile mit Netzen, die einen Freilandbereich abdecken, um so zu verhindern, dass (eventuell mit H5N1 infizierte Wildvögel) auf dem Hühnerhof landen und das Geflügel anstecken können. Allerdings: Die Netz-Variante ist vom Ministerium nicht als Alternative zur Stallpflicht abgesegnet.
6 Welche Vorsorge ist in Österreich geplant? Ist sie überhaupt nötig?
Ja, sie ist nötig, werden Ministerium und Länder nicht müde zu betonen: Erst die konsequenten Maßnahmen zu Jahresbeginn (Stallpflicht) hätten das Virus gebremst. In Anlehnung daran sind auch heuer weitere Maßnahmen geplant: Erst am Montag haben Bund und Länder in einer Sitzung in Wien das Vorgehen aufeinander abgestimmt. Österreich hat mittlerweile Influenza-Prophylaxe auf Halde und einen Vertrag für einen Impfstoff bei einem Ausbruch der Seuche in der Schublade.
In den Detailplanungen geht es nun vor allem darum, wie - im Fall des Falles - der Impfstoff rasch verteilt werden kann, ohne dass Panik ausbricht. Einhelliger Tenor in der Generaldirektion für öffentliche Gesundheit: "Es wäre falsch, jetzt nichts zu tun. Diese Zeit muss man nützen."
Link (http://www.diepresse.com/Artikel.aspx?channel=c&ressort=w&id=594663)
25.10.2006
Warum es keine neuen Fälle gibt und sich Behörden auf den Ernstfall vorbereiten.
WIEN. Es ist still geworden. Vor einem halben Jahr hat die "Vogelgrippe" für Aufregung gesorgt, mancherorts für Panik. Dann ist wieder Ruhe eingekehrt - nur eine Ruhe vor dem Sturm? "Die Presse" beantwortet, warum Schreckensszenarien ausgeblieben sind und weshalb die Tierseuche nach wie vor Experten und Behörden beschäftigt.
1 Wer hat die Ausbreitung der Vi rus-Erkrankung gestoppt?
Genau genommen: niemand. Nach Auftreten der Fälle in Österreich (siehe Info-Kasten) ist im Frühjahr die Zahl der Infektionen von Wildvögeln - insbesonders Schwänen - zurückgegangen. Seit Mai wurde hierzulande kein neuer Fall entdeckt. Ein Übergreifen auf die Bestände heimischer Geflügelfarmen ist ausgeblieben. Im vergangenen Winter sind vor allem Schwäne an der Vogelgrippe verendet. Bei Tests über den Sommer haben Veterinäre herausgefunden, dass Schwäne Anti-Körper gegen das Vogelrippe-Virus H5N1 haben und den Krankheitserreger nicht ausscheiden.
2 Was sagen die Experten zum Auf treten der Seuche?
"Wissenschaftlich ist das nicht zu beantworten" - Das antworten Virologen und Wildtierbiologen unisono offenherzig auf die Frage nach einer Erklärung, weshalb sich die Vogelgrippe im vergangenen Winter innerhalb weniger Woche von China bis Spanien ausgebreitet hat. Der Verdacht, dass aus Afrika zurückkehrende Zugvögel für eine weitere Vogelgrippe-Welle hätten sorgen können, sei "begründet" gewesen; warum sie ausgeblieben ist, bleibt für die Experten vorerst unbeantwortet.
3 Ist mit einem erneuten Ausbruch der Vogelgrippe zu rechnen?
Aktuell gibt es dafür keine Anzeichen; allerdings hat es die vor einem Jahr genauso wenig gegeben; die Tierseuche hat sich schlagartig ausgebreitet. Wildtierbiologen sagen mittlerweile: "Klar ist, dass Massentierhaltung die Ausbreitung der Seuche begünstigt." Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) hat weitere Veränderungen des Virus festgestellt. Experten in Österreich haben analysiert, dass hierzulande zwei Varianten des asiatischen H5N1-Typs aktiv sind, die sich genetisch unterschiedlich entwickeln: jene am Bodensee, die über Norddeutschland nach Österreich gekommen ist; und jene, die in Ostösterreich und der Steiermark auftrat vom Donaudelta gekommen ist.
4 Ist die Gefahr für den Menschen gebannt?
Nein. Die WHO hat mittlerweile einen Fall (in Indonesien) bestätigt, bei dem das Virus von Mensch zu Mensch übertragen worden ist. In diesem Land sind bisher von 72 mit dem Vogelgrippe-Virus Infizierten 55 gestorben. Der letzte Fall wurde am Montag der Vorwoche gemeldet. In dem einen von Mensch zu Mensch übertragenen Fall hat es engen Kontakt bei der Pflege eines Kranken gegeben - ohne Mundschutz. Aus Ägypten wurden ersten Humaninfektionen mit H5N1 im vorigen Winter gemeldet. Mittlerweile gibt es bereits bestätigte Erkrankungen, 6 sind gestorben. Über Ägypten verläuft eine der Hauptrouten des Vogelzugs. Das Virus verändert sich ständig, aber bisher schlagen die WHO-Experten nicht Alarm, dass das Virus auch bei flüchtigem Kontakt unter Menschen übertragen werden kann.
5 Muss Geflügel demnächst wieder in die Ställe gesperrt werden?
Das ist vorerst nicht absehbar. Die Notfallpläne aus dem Vorjahr wurden von den Bundesländern und vom Gesundheitsministerium verfeinert, heißt es. Konkret bedeutet dies, dass "Risikogebiete" dort definiert werden, wo Geflügel in der Nähe von Gewässern und Vogelzug-Routen gehalten wird. Dort könnte es unter Umständen eine Stallpflicht geben. Geflügelhalter experimentieren mittlerweile mit Netzen, die einen Freilandbereich abdecken, um so zu verhindern, dass (eventuell mit H5N1 infizierte Wildvögel) auf dem Hühnerhof landen und das Geflügel anstecken können. Allerdings: Die Netz-Variante ist vom Ministerium nicht als Alternative zur Stallpflicht abgesegnet.
6 Welche Vorsorge ist in Österreich geplant? Ist sie überhaupt nötig?
Ja, sie ist nötig, werden Ministerium und Länder nicht müde zu betonen: Erst die konsequenten Maßnahmen zu Jahresbeginn (Stallpflicht) hätten das Virus gebremst. In Anlehnung daran sind auch heuer weitere Maßnahmen geplant: Erst am Montag haben Bund und Länder in einer Sitzung in Wien das Vorgehen aufeinander abgestimmt. Österreich hat mittlerweile Influenza-Prophylaxe auf Halde und einen Vertrag für einen Impfstoff bei einem Ausbruch der Seuche in der Schublade.
In den Detailplanungen geht es nun vor allem darum, wie - im Fall des Falles - der Impfstoff rasch verteilt werden kann, ohne dass Panik ausbricht. Einhelliger Tenor in der Generaldirektion für öffentliche Gesundheit: "Es wäre falsch, jetzt nichts zu tun. Diese Zeit muss man nützen."
Link (http://www.diepresse.com/Artikel.aspx?channel=c&ressort=w&id=594663)