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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Interessantes aus den 80ern



Krawatte
01.03.2025, 11:04
Ich war mal für einige Jahre, hauptsächlich 80er und tlw. 90er Jahre, Abonnent der Geflügel-Börse, in der ich heute noch gelegentlich gerne herumstöbere. Dabei sind mir häufig Fakten und Ansichten aufgefallen - alle aus Züchterhand -, die hier im Forum auf Interesse stoßen könnten. Manchmal sind die Themen zeitlos, manchmal völlig aus der Zeit gefallen, einiges ist mittlerweile überholt, anderes aktueller denn je, vieles scheinbar vergessen oder zumindest in großen Teilen unbekannt. 30, 40 Jahre ist ja in der Hühnerwelt ein recht großer Zeitsprung, aber interessant ist es allemal, wie ich finde. Ich habe deshalb vor, hier in unregelmäßigen Abständen mal so einiges wiederzugeben und freue mich auf eure Meinungen. Ich fang dann auch gleich mal an:

Weiße Wyandotten - Fortschritt oder Rückgang

Ein damals führender Züchter beschreibt in einem relativ kurzen Artikel den Niedergang des Sondervereins aufgrund der nachlassenden Tierqualität und die geplanten Maßnahmen zur Verbesserung der weißen Wyandotten und damit zur Wiederbelebung des SV. ich fasse kurz zusammen, kursiv ist zitiert:

1988 werden es 100 Jahre, dass das von Fred Houdlett in Boston erzüchtete Huhn in den amerikanischen Standard aufgenommen wurde. Viele Abbildungen und Berichte seither zeigten deutlich, welche Veränderungen bei diesem Huhn, das bei der Erzüchtung einen Landhuhntyp darstellt, vorgenommen worden sind.

Die Legeleistung musste der Schönheit weichen, womit ein steter Rückgang ... der Halter einherging. Die ursprünglich schlanken Tiere wurden fast bis zum Kugeltyp verzüchtet...Es waren in den vorangegangenen Jahren einfach zu viele weiße Orpington eingekreuzt worden: das weiße Wyandotte-Huhn wurde zu groß und zu schwer und legefaul. Oft wurden nicht einmal mehr 100 Eier pro Legejahr erreicht...Starke Inzucht sorgte zwar für einzelne hochfeine Tiere, aber die Befruchtung sank teilweise auf 25-30%

Nach dramatischem Rückgang der Züchter in den 60er Jahren auf nur noch 6 oder 7 Aktive im SV begannen ab 1974 die o. a. Bemühungen. Die namhaften Züchter haben ... einiges getan, um die Legeleistung wieder erheblich zu steigern. So wurden weiße Plymouth Rocks und weiße Dresdener eingekreuzt. Die F1- und F2-Generation hieraus erzielten Legeleistungen von bis zu 270 Eiern pro Jahr. Die Tiere wurden zwar etwas schlanker, sehen aber gefälliger aus und sind vitaler. Die Eier wurden auch größer; bei zweijährigen Hennen wurden Eigewichte bis zu 70 g erreicht.

Der Bericht schließt mit heute immer noch vergleichbaren Beschwerden über zu strenge Preisrichter, dem Problem des Waschens und eigenbrötlerische Einstellungen streitbarer Züchterkollegen.:)

Ich ziehe hauptsächlich zwei Schlüsse aus diesem Bericht:

1) Der Begriff des Heterosiseffekts war wohl noch nicht so sehr in Züchterkreisen verbreitet, die Auswirkungen selbst allerdings schon beobachtet und angewendet.

2) Hier im Forum wird ja gerne von Erhaltung der "Genreserve" so alter traditioneller Hühnerrassen geschrieben, über die angeblich großen charakterlichen und sonstigen Rassenunterschiede und damit über deren zwingende Reinzüchtung, was ja das erste Ansinnen eines verantwortungsvollen Züchters sei.

Das Beispiel weiße Wyndotte zeigt mir allerdings, dass innerhalb weniger Jahre gleich drei verschiedene weitere Rassen eingekreuzt worden sind, nämlich jeweils weiße Orpington, Plymouth Rocks und Dresdener (eine damals noch recht junge Rasse, die selbst aus diversen anderen "zusammengeschustert" bzw. gezüchtet worden ist). Und es entzieht sich meiner Kenntnis, was seitdem züchterisch unternommen worden ist.

Ist alles legitim und aus meiner Sicht züchterisch auch nicht anders zu händeln, von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen. Aber die Ansicht, die Hühnerrassen wären in großer Zahl seit vielen Jahrzehnten fortlaufend immer "rein" gezüchtet worden, ist glaube ich eher Wunschdenken denn Realität.

RasPeterson
01.03.2025, 11:17
Super interessant,gerne mehr.

KleineGärtnerin
01.03.2025, 11:21
Für mich auch gerne mehr.

Sulmtaler forever
01.03.2025, 12:00
Finde ich auch sehr interessant!

sil
01.03.2025, 17:48
Danke fürs Zusammenfassen, es bestätigt meine Meinung zum Thema "Blutreinheit" bei vielen Rassen.

Wilde Hummel
01.03.2025, 19:18
Ich lese auch sehr interessiert mit und freue mich über weitere Beiträge, Krawatte!

Orpington/Maran
01.03.2025, 19:36
Auch interessiert, Danke

chtjonas
01.03.2025, 20:46
Auch für mich gerne mehr davon!

Sandschak
03.03.2025, 07:20
Super interessant, würde mich freuen wenn Du hier mehr dazu schreibst.

Angora-Angy
03.03.2025, 07:56
Sag ich doch die ganze Zeit! Ausstellungszucht vermurkst die Rasse. Ich bin auch an mehr interessiert.

Sandschak
03.03.2025, 09:19
@Krawatte
Weisst Du aus welcher Ausgabe Dein Bericht stammt? Das wäre interessant zur zeitlichen Einordnung.
Ich kenne mich bei den Wyandotten ehrlich gesagt nicht aus. Habe dann mal spontan nach dem SV für die Wyandotten gegoogled um mal evtl. zum heutigen Stand etwas zu finden - zum Vergleich.
Bin dann auf mehrere Wyandotten-SV Seiten gestoßen. Offenbar gibt es sogar für einzelne Farben welche - ich bin verwirrt. :o

Krawatte
03.03.2025, 09:58
Habe ich leider vergessen anzugeben...

Es ist die Ausgabe 11 (also die Novemberausgabe) aus dem Jahr 1982.

Weit verbreitete Rassen mit auch noch vielen Farbschlägen teilen sich häufiger in mehrere SV auf, manchmal auch extra die verzwergten Rassen. Ist sinnvoll, da die Betreuung ansonsten nicht mehr jedem gerecht werden würde. Andererseits existieren auch Vereine, die mehrere verschiedenen Rassen betreuen, weil diese nicht weit verbreitet sind.

Ohne zu googlen meine ich, der SV für Weiße Wyandotten existiert heute noch und ist nicht mit anderen verschmolzen worden.

Sandschak
03.03.2025, 10:10
Danke für die Info. Ok, darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht, das es für Rassen auch noch einzelne Vereine nach Farbaufteilung gibt.
Liegt sicher daran das ich mich bisher eher auf die von mir gehaltenen Rassen konzentriert habe, die sind ja im Vergleich eher weniger verbreitet. Ist also wie immer - der Blick über den Tellerrand lohnt sich.

Krawatte
03.03.2025, 10:21
Folgendes habe ich aus einem anderen Faden kopiert, den ich kürzlich erstellt habe. Passt hier gut hin!

Gestern habe ich in Ausgabe 10 des Jahres 1982 folgenden Bericht entdeckt, den ich euch nicht vorenthalten möchte, weil es einmal mehr gut zeigt, wie die Züchterwelt vor Jahrzehnten mit bestimmten Angelegenheiten umgegangen ist: Erste Auswahl der Jungtiere - Was man nicht beringen sollte -! Ich zitiere mal verkürzt:

1) Krummes Brustbein und schiefer Rücken sind Folgen einer Rachitis. Bei den heutigen Futtermischungen des Handels ist es kaum möglich, bei richtiger Verwendung einen Fütterungsfehler zu begehen. Da kämen als Ursache nur mangelnde Wärmeversorgung der Küken und altes oder infrarot bestrahltes Kükenfutter in Betracht. Sonstige Einzelfälle beruhen auf einer Erbanlage. Wenn man generationenlang durch Vermeidung frühzeitigen Aufbaumens korrekte Brustbeine zu sichern sich bemühte, dann wird durch diese Vorsorge die Knochenbildung eines Zuchttieres nicht besser, die Anlage zur Mißbildung wird nur in der Vererbung verstärkt. Ein gesundes, richtig ernährtes Küken wird sein Skelett harmonisch mit dem sonstigen Körperzuwachs aufbauen. Erfahrungen, daß schon wenige Tage alte Küken sich auf schmale Bretterkannten und dergleichen ohne Schaden setzen, konnten wiederholt gemacht werden.

2) Wir kennen den Kreuzschnabel, der sich bildet, wenn der Unterschnabel zu lang ist. Dann weicht die Spitze des Oberschnabels seitwärts aus. Dieser Fehler tritt besonders bei Hühnern mit Bartbildung auf. Man muss nur auf Tiere achten, bei denen die Schnabelspitze zwar auf dem Unterschnabel ruht, nach hinten sich aber zwischen beiden Schnabelhälften eine Lücke zeigt, die man von der Seite aus deutlich sieht. Hier ist die Anlage zum Kreuzschnabel bereits vorhanden, und solche Tiere sind von der Zucht auszuschließen.

Ich weiß nicht, auch aufgrund eigener fehlender Erfahrungen, ob das alles mit den heutigen Erkenntnissen konform geht, aber interessant finde ich es allemal, oder?

Krawatte
03.03.2025, 10:23
Und das war die Reaktion von cairdean, der Vollständigkeit halber!

Danke für die Zusammenfassung! Ich finde das sehr interessant. Das bestärkt zudem meine strenge Zuchttierauswahl.

Ich wusste zwar noch nicht, dass ein nicht-geschlossener Schnabel ein Zeichen für mögliche Kreuzschnäbel beim Nachwuchs sein kann, aber würde auch kein solches Tier in die Zucht nehmen wollen. Ich hätte vor ein paar Jahren gerne von einem Araucanahahn aus zugekauften Bruteiern nachgezogen, aber der hatte auch diese Lücke entwickelt und ist deshalb in den Topf gewandert. Einfach, weil es mir nicht richtig und gesund vorkam, dass ein Huhn seinen Schnabel nicht vollständig schließen kann. Eines seiner Geschwister musste wegen Kreuzschnabel noch im Kükenalter erlöst werden. Finde den Fehler. Und passt sehr gut zu Deinem Zeitungsfund!

Krumme Brustbeine hatte ich auch schon oft. Auch immer nur bei einzelnen Tieren, obwohl alle die gleichen Stangen, Bretter und Kanten zum Aufbaumen nutzen.

Krawatte
22.05.2025, 19:02
Geflügel-Börse Nr. 16/1984:

Ein Kurzbericht, Übersetzung aus Word's Poultry Science Journal 3/83.

Wie kann man das Verlegen von Eiern verhindern?

...Bei derartigen Problemen, die das Verhalten bestimmter Tiere betreffen, ist es am besten, mit den Individuen einzeln oder in kleinen Guppen gezielt zu arbeiten. Die Entwicklung des Nistverhaltens wurde an Gruppen mit 25 Hennen untersucht. Jede Gruppe bekam sechs Legenester in zwei Dreierreihen...einige wenige Eier wurden in diesem Stadium (Anmerkung: ?) zwar verlegt (0,5% bei leichten, 3 % bei mittelschweren Kreuzungen), aber sie stammten stets von denselben wenigen Tieren, die ein derartiges Fehlverhalten zeigten. Aber diese Tiere benutzten auch die Nester der unteren Reihe am Boden. Die obere Nestreihe wurde von den leichten Kreuzungen gut angenommen.
Bei den mittelschweren Tieren wurden hingegen 25% der Eier verlegt; vielleicht, weil sie das zum Gebrauch von höheren Nestern erforderliche Verhalten nicht entwickelt hatten. Ein Experiment...bestätigte, dass hier...die wichtigste Ursache für das Verlegen von Eiern am Boden zu suchen ist. Nachzucht von (diesen) Bodenlegern wurde in zwei Gruppen ohne Sitzstangen aufgezogen. Die Tiere legten später 47 bzw. 27% Bodeneier. Zwei anderen Gruppen wurden als Jungtiere Sitzstangen zur Verfügung gestellt. Sie verlegten nur 0 bzw. 4% Eier am Boden.

Auch wenn der Text einige logische Hänger enthält, die ich mir mit Übersetzungsfehlern und/oder einer Kürzung des Originaltextes erkläre, ist das Fazit wiederum eindeutig:

Die Bereitstellung von Sitzstangen beim Heranwachsen mittelschwerer Haushühner kann somit wesentlich zur Verringerung von am Boden verlegten Eiern beitragen.