Link

Geringes Vogelgrippe-Risiko - Stallpflicht gelockert
Geflügel darf wieder ins Freie - Länder wollen Grippemittel-Vorrat weiter aufstocken - Forscher glaubt an Zunahme der Gefahr im Herbst

Hannover - Aufatmen bei Geflügelhaltern: Trotz weiter bestehender Gefahren durch die Vogelgrippe ist die Stallpflicht fast in ganz Niedersachsen gelockert worden. 35 von den 46 Landkreisen und kreisfreien Städten haben seit Mai eine Verfügung erlassen, so daß Hühner und anderes Geflügel in diesen Gebieten wieder ins Freie dürfen.

Auch in den anderen Regionen gibt es Ausnahmen von der Stallpflicht. Dort seien rund 1000 Einzelgenehmigungen für Geflügelhalter erteilt worden, sagte ein Sprecher des Agrarministeriums in Hannover. Unterdessen ist die geplante Aufstockung der Vorräte von Grippe-Medikamenten in Niedersachsen unter Dach und Fach. Anfang 2007 soll der Wirkstoff geliefert werden.

Bundesagrarminister Horst Seehofer (CSU) hatte die Stallpflicht für Federvieh im Mai gelockert und damit die Freilandhaltung wieder verstärkt zugelassen. Die Bundesländer bekamen die Möglichkeit, ganze Landkreise von der Stallpflicht auszunehmen. Die Stallpflicht gilt aber in Risikogebieten wie in der Nähe des Fundorts infizierter Tiere, an Feuchtgebieten und in Regionen mit viel Geflügel. Der Bundesrat stimmte am Freitag dafür, diese Regelung über den August hinaus bis Ende Februar zu verlängern.

Bundesweit wurden seit Februar rund 340 Vögel mit dem gefährlichen Virustyp H5N1 registriert. In Niedersachsen hatten sich im Frühjahr eine Sturmmöwe in Cuxhaven und eine Wildgans in Walsrode mit dem H5N1-Virus infiziert, der auch für den Menschen gefährlich sein kann.

Das Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) in Oldenburg hat seit Herbst 2005 etwa 15 000 Untersuchungen auf Vogelgrippe bei toten Tieren durchgeführt. "Derzeit kommen noch rund 50 Tiere im Monat dort an", sagte Ministeriumssprecher Gert Hahne. Meist seien es tote Wasser- und Greifvögel. Vor einiger Zeit, als besonders große Angst vor der Vogelgrippe herrschte, waren es bis zu 150 Tiere.

Bisherige Schutzmaßnahmen und Untersuchungen auf Vogelgrippe haben nach Ministeriumsangaben Materialkosten etwa für Skalpelle, Atemmasken und Chemikalien von rund 120 000 Euro verursacht. Zu Personalkosten konnte die Behörde keine Angaben machen. Nach Ansicht des niederländischen Forschers Albert Osterhaus wird die Vogelgrippe- Gefahr durch den Vogelzug im Herbst wieder zunehmen.

Zum Schutz vor der Vogelgrippe soll in Niedersachsen Anfang 2007 der Vorrat von Anti-Grippemitteln für die Bevölkerung erhöht werden. "Die Verträge mit dem Pharmaunternehmen sind geschlossen", sagte ein Sprecher des Sozialministeriums. Derzeit hält Niedersachsen für 6,4 Prozent der Bürger Medikamente gegen Grippe vor, das Land will den Bestand zunächst auf 11,5 Prozent erhöhen.

Dafür sollen 420 000 zusätzliche Therapieeinheiten geliefert werden, sagte der Sprecher. "Wegen möglicher Engpässe bei der Produktion hatten wir Sorge, daß es länger dauert", sagte ein Sprecher des Sozialministeriums. Der Anti-Grippe-Wirkstoff Oseltamivir werde als Pulver geliefert und sei zehn Jahre haltbar. Langfristig wollen Niedersachsen und die anderen Länder ihren Vorrat auf jeweils 20 Prozent erhöhen.

Menschen, die sich mit dem Vogelgrippevirus H5N1 anstecken, sollen Grippemittel wie Tamiflu und Relenza helfen. Die Medikamente wurden zur allgemeinen Behandlung der herkömmlichen Influenza entwickelt und sind keine speziellen Mittel zur Bekämpfung des Vogelgrippe-Erregers. lni


Artikel erschienen am Mo, 10. Juli 2006