Da ich nur wenig über Gumboro im Forum gefunden habe, möchte ich hier einiges, was ich mir in den letzten Tagen erlesen, mitgeteilt und erfahren habe, niederschreiben.
Dies soll keine Abhandlung für angehende Tierärzte werden und hat auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Da bei mir im Bestand Gumboro ausgebrochen ist, möchte ich nur kurz berichten, wie die Anzeichen und der Krankheitsverlauf erfolgte, damit andere Hühnerhalter eventuell ihren Bestand bei Auffälligkeiten auf Gumboro untersuchen lassen und über eine Impfung ihrer Küken nachdenken.
Gumboro, auch Infektiöse Bursitis (IBD) genannt
IBD ist eine Viruserkrankung bei Hühnervögeln. IBD ist weltweit verbreitet und auf allen Erdteilen nachgewiesen. Hühner und Puten sind nachweislich empfänglich für den Virus.
Ein Veterinärpathologe nannte mir eine sehr hohe Dunkelziffer von Erkrankungen in Hobbyhaltungen, da dort die verstorbenen Tiere nicht unbedingt zur Feststellung der Erkrankung zur Untersuchung eingeschickt oder abgegeben werden und dort eine IBD Impfung nicht gerade üblich ist.
Weiterhin sagte er mir, dass wohl ca. 50-80 % der bei ihnen untersuchten Tieren aus Hobbyhaltungen eine akute oder vergangene IBD Erkrankung aufweisen. Das mag daran liegen, dass bei ihnen nur kranke Tiere abgegeben werden, deutet jedoch darauf hin, dass IBD gar nicht so selten vorkommt, wie ich vermutet hatte.
IBD ist längst in Deutschlands wilder Natur etabliert und dauerhaft vorhanden.
Geschichte:
IBD wurde erstmals im Ort Gumboro in Delaware in den USA nachgewiesen (Cosgrove 1962).
Winterfield und Hitchner isolierten 1962 aus betroffenen Tieren zwei Virenarten, die Nierenschädigungen hervorriefen. Eine Virusart wurde als Infektiöse Bronchitis (IB) bekannt, die andere untersuchte speziell Winterfield weiter und wurde durch Hitchner 1970 mit dem Namen „infectional bursal agent“ für den Erreger benannt.
1964 gelang es Helmboldt und Garner experimentell Infektionen zu erzeugen um eine Diagnostik und Behandlung zu erforschen. 1967 hat Snedecker mit einem schwach attenuierten Virusstamm eine Immunität nachgewiesen.
In den folgenden Jahren wurden in zahlreichen Ländern mit Nachweisen der Erreger bestätigt. 1971 haben Faragher und 1974 Firth von einer subklinischen Infektion berichtet.
Bis heute werden Untersuchungen zur IBD und deren Bekämpfung angestellt, da der Virus anscheinend in weitere Subtypen mutiert.
Der Erreger der IBD wurde vom Internationalen Komitee für Virusnomenklatur 1984 zur Familie der Birnaviridae eingeordnet. Mit dem Elektronenmikroskop sind Aufnahmen des Virus gelungen. Anscheinend gibt es mehrere Antigenvarianten im Hühnerkörper, die von den Antikörpern bekämpft werden. Sie unterscheiden sich zwar in ihrer Virulenz, aber nicht in antigener Hinsicht.
Bei Versuchen mit Puten konnte ein zweiter Serotyp isoliert werden.
Infektionsversuche an Kaninchen, Meerschweinchen, Wachtel und Enten verliefen negativ, allerdings konnten Entenembryonen angesteckt werden.
Virusreservoire in der freien Natur werden in Puten, Enten und weiteren Wildvögeln vermutet. In Puten bildet der Virus kaum klinische Symptome aus und wird selten als Erkrankung erkannt.
Krankheitsverlauf:
Das Virus dringt über das Auge, die Nase oder den Rachen in das Küken ein. (In Versuchen konnte auch eine Infektion über Injektion ins Muskelgewebe erreicht werden.) Im Körper nistet es sich in der Bursa Fabricii ein und vermehrt sich dort. Die Bursa Fabricii ist vergleichbar mit einem Lymphknoten beim Menschen. Sie liegt oberhalb der Kloake und ist Teil des Lymphsystems. Die Bursa Fabricii schwillt an und zersetzt sich langsam, sie füllt sich erst mit glasigem Schleim, später mit Blutungen und bei toten Tieren wird eine käsig ähnliche trockene Substanz festgestellt. Über die Blutbahn erreichen die Viren jede Zelle im Körper des Kükens, wo sie an Nieren, Leber, Lunge, Milz, Thymus, Knochenmark und andren lymphoiden Geweben Schäden verursachen.
In der Hochphase der Symptomausbildung können die Küken an Dehydration sterben.
Im pathologischen Bericht stand bei den für mich untersuchten Tieren ein schwächerer Allgemeinzustand, eine Fettleber und eine angeschwollene Bursa Fabricii. Anämie und Herabsetzung der Gerinnungszeit, sowie Blutgerinnsel im Muskelgewebe gingen einher. Alles Anzeichen, die speziell auf eine Infektion mit IBD hindeuteten.
Die Schäden an den Organen werden mit der Zeit bei den Überlebenden zurückgebildet und durch gesundes Gewebe ersetzt, bis auf die Schäden an der Bursa Fabricii, die dauerhaft geschädigt bleibt.
Bekämpfung:
Das Virus hat eine hohe Tenazität. Das heißt, es überlebt viele übliche Bekämpfungsmaßnahmen.
Es überlebt Temperaturen von -58 °C für 18 Monate. Allerdings stirbt das Virus bei 50°C nach 5 Tagen auch in der Einstreu. Es starb in Versuchen bei 70 °C nach 30 Minuten. Kontaminierter Staub war ohne Behandlung 52 Tage infektiös. Das Virus überlebt ph-Werte von 2-11, ebenfalls überlebt das Virus Chloroform- und Ätherbehandlungen.
Ph-Werte ab 12, 1%iges Formalin, 0,5% Chloramin, 1% Phenol bei 25°C und 0,2% Peressigsäure allerdings tötet das Virus.
Auf Grund der hohen Tenazität und der weltweiten Verbreitung wird eine vollständige Ausrottung des Virus in betroffenen neueinzustallenden Betrieben hochgradig ausgeschlossen. Selbst wenn eine Bekämpfung durch Leerstand und Desinfektion erfolgreich ist, so ist eine Neuinfektion durch die Umwelt und andere Faktoren wahrscheinlich.
Um eine Neuinfektionskette zu stoppen, sind nur längere Nicht-Neu-Besetzung und Impfung neuer Küken erfolgreich angewendet worden.
Da infizierte überlebende Tiere keine Dauerausscheider des Virus sind und die Dauer des Ausscheidens zeitlich beschränkt ist (Bei absichtlichen Infektionen war das Virus in Blut 36-72 Stunden nachweisbar, in Kot und Bursa Faribicii 48 Stunden bis 7 Tage infektiös.), können diese in Beständen ohne Neubesetzung verbleiben. Allerdings sollten direkte oder indirekte Kontakte zu anderen Hühnerbeständen (z.B. über Personal, Einrichtungsgegenstände, Schlachtereien, …) unterbunden werden.
Die Dauer des Überlebens des Virus kann nicht pauschal genannt werden, da sie stark abhängig von den Umständen des Betriebes sind, bzw. der Haltung der Tiere ist.
So werden im Internet Angaben gemacht, dass das Virus höchstens nur 122 Tage nach Ausbruch ansteckend sein soll. Allerdings sind in Laborversuchen wesentlich längere Zeitangaben ermittelt worden. Um sicher zu gehen, wurde mir ein Zeitraum von ca. einem halben Jahr genannt, mit dem Hinweis, dass ich neue Küken doch möglichst impfen lassen sollte, um jeglicher Gefahr zu begegnen.
Nachweis und Übertragung:
Eine Anzüchtung der Viren zum Nachweis ist anscheinend richtig schwierig. Im Brutei gelingt dies nicht immer zuverlässig. Auch heute noch werden dafür Küken absichtlich mit den vermuteten Viren infiziert. Die Veränderung an der Bursa Fabricii können dann als Nachweis herangezogen werden.
Einfacher ist ein Nachweis der Antikörper (z.B. über ELISA), die recht schnell nach einer Infektion sehr zahlreich gebildet werden.
Nachweislich wird das Virus über Tier-zu-Tier-Kontakt, Kot, Kontakt zu Personen mit kontaminierter Kleidung, indirekter Kontakt über Einstreu, Futtermittel und deren Verpackung, Stalleinrichtungen, Tränken und Tröge übertragen.
Aber auch Federstaub, Mäuse, Mücken, Fliegen und Getreideschimmelkäfer geben das Virus weiter. Sperlinge und Wachteln haben nachweislich schon selber Antikörper aufgebaut, in Nigeria wurde das Virus in verschiedenen Wildvögeln nachgewiesen. In Europa wurde dies noch nicht untersucht, da man in der Geflügelindustrie der Gefahr einfach durch Impfung begegnet und eine Untersuchung der Wildvögel als finanziell uninteressant einstuft.
Behandlung und Vorbeugung:
Eine Behandlung von infizierten Tieren ist bisher nicht möglich. Die Unterbrechung der Infektionskette kann am besten durch Impfung der Küken erreicht werden. Hilfreich ist dabei eine Impfung der Elterntiere, die dadurch über das Brutei maternale Antikörper (mAK) auf das Küken übertragen. Durch diese mAK wird eine Infektion der Küken in den ersten Tagen nach dem Schlupf verhindert, bis eine Impfung der Küken erfolgen kann. Da die mAK sich langsam abbauen, liegt der Impfzeitpunkt zwischen dem 14ten und 28sten Lebenstag.
Der Zeitpunkt der Kükenimpfung ist für die Wirksamkeit relevant. Impft man zu früh, kann es sein, dass die Küken durch die mAK keine Immunität ausbilden, da die passiv erworbenen Antikörper den Impfstoff bekämpfen und keine aktive erworbene Immunität dabei entsteht.
Impft man zu spät, können die Küken evtl. schon mit einem Feldvirus infiziert worden sein. Deshalb wurde mir eine Zweifachimpfung empfohlen, wo nach 10-12 Tagen die Impfung wiederholt wird, um auf jeden Fall eine aktive Immunität zu erreichen.
In industrieller Haltung wird den Küken Blut abgenommen um den Titer der Antikörper festzustellen und damit den optimalen Zeitpunkt zu bestimmen. (Dazu gibt es sogar eine komplizierte mathematische Formel.)
Symptomverlauf (von mir beobachtet):
Meine Küken waren anfangs „nicht mehr so fit“, anders kann ich es nicht beschreiben. Sie bewegten sich langsamer und vorsichtiger, nicht mehr so häufig und hörten auf spielerisch herumzuflattern. Eine Stunde zuvor total fit, ohne irgendwelche Anzeichen, fingen sie an auf „Zeitlupe“ zu schalten.
Nach ca. 2-3 Stunden erfolgte eine Phase, die ich als „krank“ beschreiben würde. Die Küken standen mit eingezogenem Kopf herum, ohne aktiv am Kükenleben teilnehmen zu wollen. Sie wirkten etwas lichtscheu und wärmebedürftig und verzogen sich in die dunkelste Ecke unter die Wärmeplatte.
In dieser Phase stellten sie das Fressen und Saufen vollständig ein. Selbst Leckerlies wurden nicht beachtet. Die Kraft ließ nach, die Flügel hingen herab. Die Augen wurden geschlossen und es wurde möglichst nur auf der Stelle verharrt.
Wenn gekotet wurde, war der Kot eher wässrig mit nur wenig Grünanteil und wenig Harnstoffanteil.
Dann kam die apathische Phase, in der sie sich hinlegten, den Kopf vornüber in die Einstreu versenkend. Dies war ca. 6-10 Stunden nach Auftreten des ersten Bemerkens am Küken. Erbarmungswürdiges Hilfepiepen und zeitweise Strampeln mit den Beinen waren die einzigen Lebenszeichen.
Nun gab es zwei Möglichkeiten. Entweder kamen die Küken nicht mehr aus dieser Phase heraus und fingen an zu zittern und verstarben oder sie rappelten sich auf und fingen wieder an zu trinken. Diese Phase hielt bei einigen Küken bis zu 2 Tage an.
Wenn sie wieder zu fressen anfingen, war das Schlimmste überstanden und es bestanden wirkliche Chancen, dass diese Küken überleben würden.
Die gesamte Sterbephase war nach 6 Tagen nach Ausbruch in der Gruppe vorüber. Dabei waren Küken, die morgens fit und abends tot waren. Von insgesamt 47 Küken verstarben bei mir 18 Küken.
Die überlebenden Küken erholen sich so rasant, wie sie auch erkrankt waren.
Offiziell heißt es, dass Küken zwischen der 3. Und der 6. Woche am empfänglichsten für das Virus sind. Meine Probebrut traf es am 42. Lebenstag, meine Hauptbrut am 32. Tag ihres Lebens.
Nach der 6. Woche sinkt die Empfänglichkeit für das Virus rapide ab, da die Bursa Fabricii, die hauptsächlich von den Viren betroffen ist, im natürlichen Entwicklungsablauf eines Kükens anfängt sich zurückzubilden. Dies ist auch oft der Zeitpunkt, wenn die Tiere anfangen hormonelle Geschlechtsverhalten auszubilden. Kurz nach der Erkrankung der Probebrut fingen die überlebenden Hähne mit den ersten krächzigen Krähversuchen an.
Erwachsene Tiere können nicht auf natürlichem Wege infiziert werden.
In Versuchen konnten allerdings auch Küken im Alter von 11 Wochen noch „erfolgreich“ infiziert werden. Offiziell wird gesagt, dass die Morbidität (Ansteckung und das Zeigen von Symptomen) bis zu über 90 % des Bestandes beträgt.
Da ich die Küken über Kükenringe einzeln gekennzeichnet habe, kann ich mit Gewissheit sagen, dass bei mir 100 % der Küken angesteckt waren. Ich habe sie einzeln kontrolliert und beobachtet.
Die Mortalität (Sterberate) beträgt offiziell ca. 30 % des Bestandes. Bei mir waren es insgesamt 38% der Küken.
Folgen für die Überlebenden:
Die Bursa Fabricii ist ein wichtiger Teil des Immunsystems von Hühnern. Mit der Infektion dieses Teils des Lymphsystems wird das Immunsystem, insbesondere die Bildung von B-Lymphozyten (antigen-präsentierende Zellen) und Makrophagen, die die Fresszellen des Immunsystems bilden, extrem geschwächt.
Aus diesem Grund können die Überlebenden an ansonsten harmlosen Infektionen sterben, da sie nicht mehr in der Lage sind, sich gegen solche Erkrankungen zu wehren. Auch gibt es deswegen oft Sekundärinfektionen mit Bakterien und anderen Viren.
Die Tiere sind allgemein schwächer und anfälliger. Impfungen gegen andere Erkrankungen (z.B. ND) führen oft nur zu unzureichenden Immunitäten und die Impfungen sind auch selbst eine Gefahr für die Überlebenden.
In der industriellen Haltung wird neben dem Versterben von um die 30 % der Küken, die geringere und verzögerte Gewichtszunahme bemängelt und als finanzieller Hauptgrund zur Impfung angesehen.
Eigentlich wollte ich, wie üblich, die Hähne eine Zeit lang großziehen und die-nicht-zur-Zucht-Verwendeten irgendwann im Laufe des frühen Winters der Küche zuführen.
Da die Krankheit aber zu Blutungen im Muskelgewebe führt und eine Sekundärinfektion anhand der Nieren-, Leber- und weiterer durch IBD vorhandener Organschäden eventuell von mir nicht erkannt wird, möchte ich jegliches Risiko ausschließen. Sie gelangen bei mir nicht auf den Weg des menschlichen Verzehrs.
Weder geimpfte noch überlebende Tiere sind später Dauerausscheider des Virus.
Entsorgung:
Für mich stellte sich auch die Frage: Wohin mit dem infektiösen Material?
In die Umwelt wollte ich es nicht verbreiten, sondern irgendwie „richtig“, bzw. ungefährlich entsorgen.
Meine Nachfrage bei unserem Veterinäramt ergab, dass ich die Tierkadaver einer Tierentsorgungsfirma (früher Abdecker genannt) zu übergeben habe. Also meldete ich mich bei der hiesigen Firma und noch am nächsten Tag wurden die Tiere bei mir abgeholt. Erfreulich war, dass die Kosten wohl von meiner Tierseuchenkasse dafür übernommen werden, da ich meine Tiere offiziell und regulär seit Jahren gemeldet habe.
Der Abholer war besonders nett und schrieb mir sogar eine handschriftliche Bestätigung über die Abgabe der Tiere bei ihm, da die Waage seines Lasters 0 kg für meine handvoll Küken ergab. Der Laster ist ausgelegt für schwere Bullen, da war die Empfindlichkeit der Waage nicht so genau.
Ich bekam den Ausdruck der Waage des Lasters und die handschriftliche Bestätigung des Fahrers ausgehändigt.
Schwieriger gestaltet sich die Entsorgung der Einstreu. Mir wurde gesagt, die darf ich hintun, wohin ich will(!).
Da das Virus schon in der Umwelt längst heimisch wäre, wäre es egal, was ich mit der infektiösen Einstreu anstelle. Mir war das irgendwie nicht geheuer.
Da meine Einstreu aus Hobelspänen besteht, wurde mir letztendlich auf meine Nachfragen nahegelegt, sie doch über unsere Kompostieranlage zu entsorgen, da diese das Material so hoch und lange erhitzt, so dass das Virus dabei abstirbt.
Meine Einstreu darf ich auch in der Kompostieranlage in Hochtemperatur verbrennen lassen, damit ist mir wohler, auch wenn es mich etwas kostet.
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